»Vor einigen Jahren habe ich meine Nase korrigieren und einen kleinen Höcker entfernen lassen. Obwohl ich mit dem Resultat nicht ganz zufrieden bin, ist die Nase objektiv schöner geworden. Muss ich meinem Freund heute davon erzählen? Oder soll ich ihm den Eingriff verschweigen? Zumal er ohnehin einmal gesagt hat, dass er Nasen mit Höckern bei Frauen nicht attraktiv findet.« Julia E., Baden-Baden.
Warum zögern Sie, Ihrem Freund von dem Eingriff zu erzählen? Fürchten Sie, er könnte Sie weniger lieben, wenn er weiß, dass ein Teil dessen, was ihm gefällt, künstlich verschönert wurde? Oder dass er eine Nasenoperation aus rein ästhetischen Gründen als etwas Anrüchiges empfinden könnte?
Ich bin der Meinung, jeder Mensch hat das Recht, sich sein Leben in weiten Grenzen so zu gestalten, wie er es möchte. Das umfasst auch den eigenen Körper. Wer sich für zu dick hält, isst weniger oder geht joggen. Wer meint, er sieht mit Muskeln besser aus als ohne, stemmt Gewichte und ernährt sich eiweißreich. An beidem nimmt niemand Anstoß, solange es nicht im Übermaß geschieht; sei es, weil sich jemand seinen Körper ruiniert, sei es, dass das Ganze zur fixen Idee, gar zum Zwang wird und nicht mehr freiwillig geschieht. Oder weil jemand die Langzeitfolgen nicht ausreichend bedenkt. Wobei auch die Entscheidung, ob man mehr Wert auf den Augenblick legen will oder lieber an die Zukunft denkt, sehr persönlich ist.
Ähnlich sehe ich es bei Schönheitsoperationen: Natürlich handelt es sich um Eingriffe in den Körper, die mit Risiken verbunden sind. Aber es ist der Körper der jeweiligen Person, die auch die Risiken trägt. Es mag mehr Größe, Stärke oder Reife bedeuten, sich zu empfundenen oder tatsächlichen Makeln zu bekennen. Und vielleicht wird man auf Dauer eher glücklich, wenn man zu sich steht, so wie man ist, als einem Ideal hinterherzulaufen. Aber erstens wird mancher Mensch auch gerade dabei glücklich, und zweitens ist es jedermanns persönliche Sache, ob und vor allem wie er glücklich wird. Wieder vorausgesetzt, man ist sich der Risiken bewusst und es handelt sich nicht um eine fixe Idee. All das gehört mindestens so sehr zu einer Person wie ein Höcker auf der Nase.
Damit wären wir beim zweiten Teil: Müssen Sie Ihrem Freund davon erzählen? Es spricht manches dafür, es zu tun, aber müssen? Nein. Erzählen Sie davon, wenn Sie es wollen, und lassen Sie es, wenn nicht. Ich persönlich würde es erzählen, weil es zu Ihnen gehört. Ich würde eher hinterfragen, warum Sie zögern; ob Sie selbst mit Ihrer Nasenkorrektur im Unreinen sind. Aber ich bin nicht Sie. Was vermutlich wiederum Ihren Freund freut.
Illustration: Marc Herold