»Eine Freundin heiratet diesen Samstag, am Tag des Champions-League-Finales. Sie ist wenig fußballinteressiert, aber ich bin großer FC-Bayern-Fan. Kann sie erwarten, dass ich auf ihrer Hochzeit auf das Finale verzichte? Oder kann ich erwarten, dass es eine Möglichkeit gibt, am Rande das Spiel zu verfolgen?« Lisa Z., Ulm
Auf einer Rangliste von chronisch überbewerteten Angelegenheiten stünden bei mir Fußball und Hochzeiten ähnlich weit oben. Insofern kann ich den Konflikt emotional zwar nur begrenzt nachvollziehen, stehe dafür aber keiner der Seiten zu nahe. Nüchtern betrachtet scheint es mir sinnvoll, im Nebenraum einen Fernseher aufzustellen. Ebenso sinnvoll erscheint es mir, selbst als Fan dort nicht wie ein Kleinkind vor Zeichentrickfilmen neunzig Minuten starrend auszuharren, sondern nur zwischendurch mal reinzuschauen und vielleicht die Schlussphase ganz zu verfolgen.
Das Brautpaar will mit Freunden seine Hochzeit feiern. Zum Wort »feiern« fallen mir Assoziationen ein wie: Spaß haben, sich amüsieren, lachen, tanzen, essen, trinken, reden, kurz alles, was dazu dient, dass alle möglichst viel Freude haben. All das lässt sich damit verbinden, dass Teile der Gäste zwischendurch in den Nebenraum gehen, um Fußball zu gucken. So wie heutzutage Raucher zwischendurch rausgehen und nach geraumer Zeit zurückkommen.
Könnte das Brautpaar gekränkt sein, weil es nicht die ungeteilte Aufmerksamkeit erhält? Ja, wenn es die Hochzeitsfeier mit der Hochzeitszeremonie verwechselt. Auch ich fände es nicht gut, wenn Raucher während des Treueschwurs aufstehen, um sich draußen kurz eine anzustecken, und ebenso unpassend, wenn die Fußballfans statt des Ringetauschs im Nebenraum die Tore bejubeln. Nur: Danach wird gefeiert, die Trauung ist der Anlass, das Brautpaar zwar der Mittelpunkt, aber zu einem Fest gehören die Gäste und deshalb zählen auch deren Wünsche. Was hat ein Brautpaar von widerwillig ausharrenden Gästen, die heimlich auf ihre Handys schauen? Umgekehrt gilt: Wem das ununterbrochene Betrachten eines Ballspiels wichtiger ist als die Hochzeit, der ist dort am falschen Platz.
Illustration: Serge Bloch