»Vor wenigen Wochen ist meine Frau verstorben, mit der ich 41 Jahre verheiratet war. »Mir stellt sich die Frage, ob ich meinen Ehering weiter trage, obwohl dies doch ein äußeres Zeichen einer Ehe ist, die für mich nicht mehr besteht. Oder wann der richtige Zeitpunkt wäre, ihn abzunehmen, auch im Hinblick auf die Wirkung bei den Verwandten und Bekannten?« Hartmut L., Köln
Beim Lesen Ihrer Frage stutzte ich. Streng und nüchtern betrachtet haben Sie durchaus recht mit Ihrer Einschätzung, dass die Ehe nun, nach dem Tod Ihrer Frau, nicht mehr besteht. Dennoch überrascht diese Aussage, auch weil Untersuchungen zufolge viele Verwitwete eher dazu neigen, den verstorbenen Partner als noch bei ihnen weilend zu empfinden: vom vermeintlichen Sehen auf der Straße über das Gefühl, er oder sie sei in bestimmten Situationen anwesend, bis hin zu Berührungserlebnissen an der Grenze zum Paranormalen. Dazu passt auch, dass viele Menschen nach dem Tod des Ehepartners den Ehering eher behalten als ablegen wollen, manche den Ring des Partners zum eigenen stecken oder aus den beiden Ringen einen neuen fertigen lassen und diesen dann tragen.
Ich muss gestehen, gerade diese Idee gefällt mir, weil sie eines sehr schön ausdrückt: Mit dem Tod eines Partners endet die Ehe tatsächlich, damit wandelt sich auch die Bedeutung der Ringe vom Zeichen der Bindung zum Zeichen der Verbundenheit und der Erinnerung. Die beiden Ringe zu einem zusammenschmelzen zu lassen kann das versinnbildlichen: dass der oder die Überlebende mit dem oder der Toten zwar verbunden bleibt, aber eben nicht an einen Toten gebunden.
Nun ist, was mir gefällt, kein Maßstab für Ihr Leben, aber mit Hilfe der Erkenntnis des Wandels von der Bindung zur Verbundenheit lässt sich auch Ihre Frage beantworten: Da mit dem Tod eines Ehepartners die Ehe endet und damit das Gebundensein, ist der richtige Zeitpunkt, den Ring abzulegen, dann, wenn Sie es tun wollen, wenn Sie kein Bedürfnis mehr verspüren, ihn weiter zu tragen. Sei es, weil Sie die Verbundenheit auch ohne Ring ausreichend verspüren, sei es, weil Sie den Schwerpunkt Ihres Lebens in die Zukunft legen wollen. In diesem Zusammenhang würde ich jede Vorgabe von außen ablehnen. Es ist Ihr Leben.
Literatur:
Jane Littlewood, Just an old-fashioned love song or a ’harlequin romance’? Some experiences of widowhood, in: Jenny Hockey, Jeanne Katz, Neil Small (eds.), Grief, Mourning and Death Ritual, Open University Press, Buckingham, Philadelphia 2001, S. 82-93
John S. Stephenson, Death, Grief and Mourning. Individual and Social Realities,The Free Press, New York 1985, S. 180-184
Illustration: Serge Bloch