Schwein gehabt

Zu Silvester werden vielerorts kleine Marzipan-Schweinchen verschenkt. Ist es in Ordnung, die süßen Glücksbringer schon vor dem Jahreswechsel zu essen?

»Man bekommt kurz vor Silvester teilweise kleine, putzige Marzipan-Schweinchen überreicht mit dem Spruch ›Viel Glück‹ und einem vierblättrigen Kleeblatt. Darf man das noch im alten Jahr essen, oder bringt das Unglück? Mal davon abgesehen, dass die meisten Schweinchen wohl ein Dasein als Staubfänger im Regal frönen, da sie ja ›sooooo süß‹ sind.« Rudi G., München

In erster Linie bringt das Essen von Schweinen den Schweinen selbst Unglück. Das bezieht sich jedoch auf die quiekenden Vorbilder, die dafür ihr Leben lassen müssen. Für die Esser kann das Gleiche gelten, wenn sie die Tiere im Übermaß verzehren. Denn nicht nur das Schwein ist ein Allesfresser, sondern auch der Mensch, und der ist überdies oft ein Vielfraß, der große Ähnlichkeit mit dem Schwein aufweist, wie schon Thomas Mann wusste: »Die bewimperten Blauäuglein und die Haut des Schweines haben vom Menschlichen mehr als irgendein Schimpanse – wie ja denn auch der nackte Körper des Menschen sehr oft an das Schwein erinnert.« Vielleicht auch deshalb erstreckt sich im Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens der Eintrag zum Stichwort »Schwein« über 39 Spalten, ein Umfang, in dem sich die große Rolle spiegelt, die das Schwein seit jeher im Aberglauben spielt. Marzipan-Schweine werden dort nicht erwähnt, jedoch etwas, was bei Ihrer Frage weiterhelfen könnte: ein sogenannter Anfangszauber. Im Alpenland etwa sollte man an Neujahr einen gesottenen Schweinsrüssel essen, »damit man im kommenden Jahre immer Glück, Geld und Überfluss« habe.

Wenn Sie also dem Marzipan-Schweinchen magische Kräfte zugestehen, scheint es mir ratsam, sich an die Vorgaben dieses Zaubers zu halten und es am Neujahrstag zu verspeisen. Hier würde auch die Vorsicht raten, es nicht vorher zu tun, da der Aberglaube dem Schwein die unterschiedlichsten Wirkungen zuschreibt und es auch als Teufels- oder Hexentier angesehen wird. Sehen Sie jedoch – wozu auch ich neige – in dem Schweinchen nur einen netten Gedanken, der sich an alte Traditionen anlehnt, spricht wenig gegen das Aufessen im alten Jahr, speziell wenn Sie Marzipan gern mögen. Zumal es dann sofortiges Glück fast schon garantiert.

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Illustrationen: Serge Bloch