Als stünde man in einem riesigen Hochleistungs-Fön

Unsere Autorin, die im kalifornischen Malibu lebt, berichtet von ihrer Evakuierung, der Rückkehr in ihr mit Asche bedecktes Haus und dem Gefühl, wenn Flammen, Qualm und Hitze immer näher kommen.

Ein Feuerwehrmann versucht das Feuer im südkalifornischen Ort Simi Valley einzudämmen. Ebenfalls von den Bränden betroffene Städte wie Thousand Oaks und Malibu, wo unsere Autorin lebt, liegen in der Nähe.

Foto: dpa

Erst war es am Freitagmorgen vor einer Woche nur eine Rauchwolke hinter der nächsten Bergkette im kalifornischen Malibu. Dann explodierte der Qualm plötzlich, so wie man sich eine nukleare Wolke nach einer Atomdetonation vorstellt – und die Feuerwand raste mit einer irren Geschwindigkeit näher. Jetzt musste es schnell gehen: Ich warf einige T-Shirts und den Badbeutel in eine Tasche, dann, zack, die Hunde ins Auto und nichts wie weg. Nur um danach mit Tausenden anderen drei Stunden auf dem Pacific Coast Highway im Stau zu stehen, während hinter uns die Wolke des Unheils immer größer wurde.

Erste Bilanz der tödlichsten Brände, die es je in Kalifornien gab: Über 60 Tote, über 600 Vermisste, 9600 zerstörte Häuser an den beiden Brandstätten nördlich von Los Angeles, wo ich wohne, und im nordkalifornischen Ort Paradise, der vom Feuer komplett zerstört wurde. Die Zahl der Brände in Kalifornien hat sich dabei in den letzten Jahrzehnten kaum verändert, wohl aber deren Stärke. Getrieben von heißen Wüstenwinden frisst sich das Feuer mit bis zu 80 Kilometern pro Stunde durch die ausgedörrte Landschaft. Die Feuerwehrleute sprechen von einem Feuer-Hurrikan, der mit unfassbarer Geschwindigkeit alles in seiner Bahn verwüstet – pro Sekunde ein Gebiet so groß wie ein Fußballfeld. 

Wer einmal in einem solchen Feuersturm stand, vergisst das nie – nicht nur das Gehirn erinnert sich, sondern die Haut erinnert die tausenden prickelnden heißen Steinchen, die Augen erinnern das tränende Stechen, die Lungen erinnern das giftige, schmerzende Atmen, das ganze Nervensystem wird überwältigt von einem Tornado aus Flammen.

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Das ist hier mein zweites kalifornisches Inferno. Beim ersten vor einigen Jahren fand ich es feige, zu evakuieren, weil ich mir in meiner Naivität nicht vorstellen konnte, dass ich direkt am Pazifik wirklich gefährdet sein könnte. Auf Wunsch meiner Vermieterin, die von den Feuerwehrleuten nicht mehr in unser Viertel gelassen wurde, hielt ich ihren frenetisch bellenden Terrier neben mir an der Leine, nässte die Holzbalken mit dem Wasserschlauch ein – nur um festzustellen, dass nach 20 Minuten alles wieder knochentrocken war. Das feuchte Tuch, das ich mir vor den Mund gebunden hatte, trocknete innerhalb von Sekunden. Es ist, als stünde man in einem gigantischen Hochleistungs-Fön mit Turbostufe. Innerhalb von zehn Minuten fraß das Feuer acht Häuser in meiner Straße, vermutlich weil ein Idiot auf dem Highway einen glimmenden Zigarettenstummel aus dem Autofenster geworfen hatte. Zehn Häuser vor mir machte das Feuer dann Halt.

Meine Freunde verloren ihr gesamtes Haus, nichts als ein mickriger Aschehaufen blieb übrig

Auch diesmal hatte ich Glück: Heute durfte ich durch die Polizeikontrollen zurück in mein Viertel und atmete auf. Der Apartmentkomplex, in dem ich wohne, steht noch. Schwarz bestäubt vom Ascheregen, aber ansonsten intakt. Vor dem Eingang lag ein halb verkohlter Singvogel – selbst die Vögel konnten nicht schnell genug fliegen, um dem Feuer zu entkommen. Das Feuer kam bis auf 500 Meter an unser Haus heran, dann wurde es von Feuerwehrleuten gestoppt, die hier wie Heilige verehrt werden.

Das Feuer folgt seinen eigenen Regeln: Anderthalb Kilometer weiter verloren meine besten Freunde ihr gesamtes Haus, nichts als ein mickriger Aschehaufen blieb davon übrig, aber die sonnig gelben Sitzkissen auf ihren eisernen Gartenstühlen tastete das Feuer nicht an. Sie wirken so einladend wie eh und je – direkt neben den schwelenden Brocken, die einmal Hausmauern waren.

Die ganze Tragödie passierte auch noch kurz nach dem Amoklauf im angrenzenden Thousand Oaks, bei dem ein ehemaliger Soldat zwölf Menschen niederschoss. Tausende Studenten der Universität Pepperdine in Malibu weigerten sich zu evakuieren, als die Feuerwehr den Befehl dazu gab, weil sie gerade mitten in der Trauerfeier waren und für ihre erschossene Kommilitonin beteten.

Das macht mich traurig. Was mich aber wütend macht, richtig jähzornig, ist das beständige Verleugnen der Trump-Regierung, dass die Infernos mit dem Klimawandel zu tun haben. Noch während ich am Samstagmorgen im Ausweichquartier auf die Hiobsbotschaften und Katastrophenbilder im Fernsehen starrte, die stündlich schlimmer wurden, twitterte Trump aus seiner Luxussuite in Paris, an der Katastrophe seien die Kalifornier selber schuld, weil sie ihre Wälder nicht richtig abholzten. Ich gebe es zu: Da habe ich mir kurz gewünscht, ich hätte ihn vor mir stehen und könnte ihm den Weg in einen der brennenden Canyons weisen. Trump hat sich bekanntlich gerühmt, er würde sich einem Amokläufer entgegenstellen, auch wenn er selbst unbewaffnet wäre. Jetzt könnte er sich von den Feuerwehrleuten, die sich den Flammen entgegenstellen, mal echten Mut abschauen.

Der Feuerwehrchef von Los Angeles reagierte etwas besonnener und stellte die Fakten klar: Das Gebiet, in dem das Feuer ausbrach, steht unter Bundesverwaltung, also unter der Verantwortung einer Behörde, der Trump gerade das Budget zusammengestrichen hat. Und mit Wald und dessen Pflege und Bewirtschaftung hat das ganze ohnehin nichts zu tun: Das Feuer fraß sich über verdorrte Steppen, die seit Monaten keinen Tropfen Regen abbekommen hatten. »Der Klimawandel war zweifellos ein Grund dafür, dass die Feuer mehr Verwüstung und Zerstörung angerichtet haben als in den vergangenen Jahren«, klärte die Feuerwehr den Präsidenten auf.

Feuer gab es in Kalifornien immer schon, und es wird sie immer geben. Was sich geändert hat, ist ihre Wucht. Denn die Heftigkeit, mit der sie durch die Canyons rasen, wird vom Klimawandel begünstigt. Seit den frühen Achtzigerjahren wächst in Amerika die Fläche, die von Bränden verwüstet wird, jedes Jahr um 1000 Prozent. Es ist genau das Szenario, das Klimawissenschaftler seit Jahren vorhersagen. Aber wer die Ursache nicht erkennt (oder anerkennt), kann auch keine Lösung finden. Konservative Republikaner, das nur am Rande, machen übrigens weiterhin die Sünden der Homosexuellen für die Hurrikane verantwortlich, die die US-Südstaaten regelmäßig heimsuchen.

Bekanntlich hat die Trump-Regierung die Vorschriften für Frackingunternehmen und Ölförderung gelockert. Die Fracker müssen ihren Methan-Ausstoß nun nicht mal mehr messen, geschweige denn melden, obwohl Methan eines der schlimmsten Klimagase ist. Auch redet Trump weiter von seiner »wunderschönen, sauberen Kohle«, die nur in seiner Fantasie existiert. Damit zündelt er noch verantwortungsloser als der gedankenlose Autofahrer, der seine schwelenden Kippen aus dem Fenster stupst.

Was die USA brauchen, sind echte, funktionierende Lösungen. Als Sofortmaßnahme würde ich empfehlen, jene 5000 Soldaten, die kürzlich an die mexikanische Grenze entsendet wurden, um sie vor einer Gruppe erschöpfter Flüchtlinge aus Lateinamerika zu verteidigen, nach Kalifornien zu verlegen. Hier könnten sie sich bei der Bewachung und Wiederinstandsetzung der zerstörten Infrastruktur nützlich machen. Auch könnte man Trailer und Container, in denen Flüchtlinge gegen ihren Willen kaserniert werden, jenen Kaliforniern zur Verfügung stellen, die nun plötzlich obdachlos sind.

Vor allem wäre es aber wichtig, die Ursachen an der Wurzel zu packen und den Klimawandel zu bekämpfen. Diese Woche besetzten 150 Klima-Aktivisten, darunter die neu gewählte Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, das Büro von Demokratenführerin Nancy Pelosi in Washington. Warum? Weil nicht einmal die Demokraten den Klimawandel wirklich auf dem Schirm haben. Wahlreform, Gesundheitsversorgung, Jobs – klar, alles wichtig, aber ein Plan gegen die Klimaerhitzung? Fehlanzeige.

Die Klima-Aktivisten machen nun Druck, einen »New Green Deal« auszuhandeln mit umfassenden Vorschlägen, den Klimaschutz endlich wirksam anzugehen. Die Wähler wollen es, mehr als die Hälfte nennen den Klimawandel bei Umfragen als Priorität. Das ist vielleicht das einzig Gute, dass diese gewaltige Feuerkatastrophe entflammt hat: Die Demokraten haben die Bürgerwut endlich erkannt und wollen im Januar einen Klima-Gipfel veranstalten. Macht mal schneller, Leute! Es brennt. Wirklich.

Während ich dies schreibe und die rauchige Luft atme, wütet das Feuer immer noch in den Bergen. Es werde vielleicht bis zum 30. November gelöscht, hofft die Feuerwehr, aber sicher ist das nicht.