Dass Bienen die Welt am Laufen halten, weiß jeder. Ohne Bienen keine Blumen, keine Landwirtschaft. Sie bestäuben zwei Drittel unserer Pflanzen, ohne sie wären die Gemüseregale leer, und ihr Massensterben hat gerade erst zu einer Rekordbeteiligung am bayerischen Volksbegehren für besseren Artenschutz geführt. Aber Bienen können noch mehr: Wir müssen nicht nur die Bienen retten, sondern die Bienen retten auch uns. Drei bestechende Beispiele, wie Bienen dringende Probleme lösen, die auf den ersten Blick gar nichts mit Bienen zu tun haben – Plastikmüll, der Verfall einer Stadt und der Schutz afrikanischer Elefanten.
1. Bienen produzieren Bio-Plastik
Wie Bienen ihre geometrischen Waben bauen, ist ohnehin faszinierend. Aber Wissenschaftler interessieren sich für die Nester der Insekten nun noch aus einem anderen Grund: Die neuseeländische Firma Humble Bee will das Nistmaterial der dort einheimischen Maskenbiene als Plastikersatz nachbauen. Die Maskenbiene ist eine Einzelgängerin, sie lebt nicht in Schwärmen, sondern baut sich ihr eigenes Nest, meist in schon vorhandenen Felsspalten oder Mini-Höhlen. Das Biopolymer ihrer Nester ist so reißfest, wasserabweisend, hitzebeständig und belastbar wie Plastikfolie, aber weit weniger umweltschädlich.
»Plastikpartikel haben unser gesamtes Ökosystem und Organismen auf dem ganzen Planeten erreicht, es ist erschreckend«, sagt Firmengründerin Veronica Harwood-Stevenson dem Telegraph. »Wir wollen kopieren, was die Natur so gut hingekriegt hat und das Material vor allem für Outdoor- und Campingausrüstung verwenden, weil da oft giftige Chemikalien verwendet werden und die Menschen, die die Natur genießen, Produkte verwenden wollen, die der Natur nicht schaden.«
2. Bienen retten Detroit
Detroit? Klar, das ist die darbende, ehemalige Autostadt, so ist sie den meisten Menschen ein Begriff. Die wenigsten wissen, dass Detroit seit mehr als zehn Jahren zu den Vorreitern des Urban Farming zählt. Die Gärten und Farmen innerhalb der Stadt sind eine Reaktion auf urbane Verwahrlosung und Armut.
Barack Obama hatte eine Task Force eingerichtet, die vor fünf Jahren empfahl, 40.000 heruntergekommene, verlassene Gebäude einzureissen. So wurden zwar insgesamt 62 Quadratkilometer Land frei, die verwandelten sich aber schnell in inoffizielle Müllhalden.
»Die Anwohner wollten, dass diese Schandflecken beseitigt und verschönert werden«, sagt der Detroiter Hobby-Imker Timothy Paule, »aber das kostet Geld.« Paule, von Beruf eigentlich Fotograf, und seine Partnerin Nicole Lindsey kauften der Stadt vor zwei Jahren ein 3000 Quadratmeter großes, mit alten Möbeln und Reifen vermülltes Stück Land für 340 Dollar ab, besorgten sich zwei Bienenschwärme und legten los. Ihre Idee: Die leerstehenden Flächen in Bienen-Farmen umwandeln. Damit, so hofften sie, würden sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: den Honigbienen helfen und gleichzeitig die Stadt verschönern.
Auf die Idee war Paule gekommen, weil er vorher über Monate eine hartnäckige Erkältung nicht abschütteln konnte. Ein Händler auf dem Bauernmarkt schlug vor, er solle es mit rohem, lokalem Honig versuchen. Paule lachte wie über einen gelungenen Scherz, kaufte den Honig aber trotzdem und stellte fest, dass es ihm jeden Tag besser ging. Er recherchierte, wie gesund Honig ist, belegte Imkerkurse und legte sich gemeinsam mit seiner Partnerin ein neues Lebensmotto zu, das sowohl zu Detroit als auch zu den Bienen passt: Work Hard, Stay Bumble.
Die Bienenvölker beleben Detroit, Paule und Lindsey nutzen sie aber auch zum Anschauungsunterricht für Kinder und andere Detroiter, um sie darüber aufzuklären, was den Honigbienen den Garaus macht (Pestizide, Schädlinge, der Verlust von Wildblumen) und wie wichtig die Bienen sind. Jetzt schon mieten die Bauern in Michigan jedes Jahr Bienenschwärme, die mit Lastwägen herangekarrt werden, weil es in der Natur nicht mehr genügend Bienen gibt, um alle Obst- und Gemüseplantagen zu bestäuben. Paules Ziel: 200 Schwärme. Er will nicht nur selbst Bienen halten, sondern mit »Sponsor-a-Hive« Programmen andere Detroiter anspornen, für 100 Dollar pro Grundstück ebenfalls Hobbyimker zu werden.
Seit Michelle Obama vor knapp zehn Jahren einen Schwarm im Weißen Haus ansiedelte und die Frau des jetzigen Vizepräsidenten, Karen Pence, im Gouverneurshaus in Indiana, haben immer mehr Städte (wie New York) das private Bienenhaltungsverbot abgeschafft. Es gibt ähnliche Initiativen in Paris, London, Hong Kong und Sydney. Und auch in deutschen Städten wie Berlin erleben Hobby-Imker einen Boom. Aber in Detroit scheint die Aufklärungskampagne die ganze Stadt erfasst zu haben. Schulen, Fabriken, sogar Schnapsbrennereien machen mit: Die Detroit City Distillery zum Beispiel hält nun 40.000 Bienen auf ihrem Dach und verarbeitet den Honig in ihrem Bourbon.
Erfolg hat die Aktion auch schon: Vor zwei Jahren hätten 72 Prozent der Bienen den Winter in Michigan nicht überlebt, sagt Brian Peterson, der die gemeinnützige Organisation »Bees in the D« gegründet hat. »Letztes Jahr hat fast die Hälfte der Bienen überlebt.« Denn gerade weil in Detroit jeder Bienen halten darf (es gibt keinerlei Regulierung), machen es sich die Imker zur Aufgabe, darüber zu informieren, welche Bienen man wie am besten hält, damit die Honigbienen nicht etwa den weitaus akuter bedrohten Wildbienen die Nahrung wegnehmen.
Für Paule geht es nicht nur darum, den Bienen zu helfen – die Bienen helfen auch Detroit. Bienenfreundliche Blumenbeete auf den bis dahin verlassenen Grundstücken beleben die Viertel, und von dem geernteten Honig profitieren lokale Restaurants. »Würden alle Bienen sterben, hätten wir Menschen höchstens noch vier bis fünf Jahre zu leben«, weiß Paule. »Die Bienen zu retten, heisst die Welt zu retten. Und Detroit.«
3. Bienen schützen Elefanten
In Kenia leben Bauern oft auf Kriegsfuß mit Elefanten. Ein ausgewachsener Elefant frisst bis zu 200 Kilo Pflanzen pro Tag, und eine Elefantenherde kann eine Jahresernte innerhalb von Stunden vernichten. Deshalb versuchten Bauern schon, ihre Felder mit Sprengsätzen zu verteidigen, oder schossen direkt auf die Elefanten.
Die bessere Lösung: Bienen. Mögen die Insekten auch noch so klein und die Rüsseltiere gigantisch sein, vor wenig fürchten sich Elefanten mehr als vor Bienen. Elefanten haben zwar eine dicke Haut, aber im Gesicht oder um den Rüssel herum tun Bienenstiche auch ihnen weh, und ein Schwarm wilder afrikanischer Bienen könnte ein Kalb sogar zu Tode stechen, weil bei den Kälbern die Haut noch dünner ist. Sie machen deshalb lieber einen Bogen um Bienenschwärme. Schon die Tonaufnahme eines summenden Schwarms vermag sie in die Flucht zu schlagen.
Die in Somalia aufgewachsene Forscherin Lucy King macht sich das Prinzip für ihr Projekt »Elefanten und Bienen« zunutze: Sie hat eine Art »Zaun« kreiert: Auf einfach mit Draht verbundenen Holzpfosten rund um eine Farm leben Bienenschwärme. Das Prinzip ist simpel, aber es funktioniert: Berühren Elefanten den Draht, schwingen die Bienenstöcke, die Bienen schwärmen aus und die Elefanten ergreifen die Flucht. Wo solche Bienen-Zäune stehen, verminderten sich die Zwischenfälle mit Elefanten laut Upworthy um 80 Prozent.
Das Projekt ist so erfolgreich, dass King nun mit der Oxford Universität, der gemeinnützigen Organsiation Save the Elephants und Disneys Animal Kingdom zusammen arbeitet. Sie ist inzwischen Direktorin des »Human-Elephant Co-Existence Programms« bei Save the Elephants und installiert die Zäune auch in Tansania und anderen Ländern. Und die Bauern? Haben zusätzlich ein neues Produkt zu verkaufen. So steht es groß auf dem Etikett: elefantenfreundlicher Honig. King sagt: »Es ist eine win-win Situation.«
Übrigens haben Bienen und Elefanten etwas Überraschendes gemeinsam: Eine neue Studie in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Science Advances hat gerade bewiesen, dass Bienen sogar rechnen können. Einfache Additionen und Subtraktionen kriegen sie so gut hin, dass die Wissenschaftler meinen, die fortgeschrittenen numerischen Fähigkeiten bei Bienen seien deutlich ausgeprägter als bisher angenommen. Vorher kannten wir solche Fähigkeiten von Säugetieren wie Affen, Delphinen oder eben Elefanten.
Dahinter könnte auch eine versteckte Drohung liegen: Wenn die bayerischen Politiker in den nächsten Monaten Vorschläge machen, wie sich die Forderungen aus dem Volksbegehren in konkrete Politik übersetzen lassen, werden die Bienen genau mitrechnen, ob sie wirklich genügend pestizidfreie Grünflächen bekommen, um ihr Überleben zu sichern. Wenn sie Dickhäutern ihre Bedürfnisse schmerzhaft nahebringen können, schaffen sie das vielleicht auch mit dickköpfigen Politikern.