Das Problem: Es fehlen dringend tausende Spenderorgane.
Die Lösung: Am Wake Forest Institute druckt man neue Organe mit dem 3D-Drucker.
Etwa zehntausend Menschen warten derzeit in Deutschland dringend auf eine neue Niere oder eine neue Leber, und es ist keine Lösung in Sicht; in Deutschland ist die Zahl der Organspender gar auf ein historisches Tief gesunken.
Der Gewebeforscher Anthony Atala, 59, glaubt, dass er die Lösung gefunden hat: Mit seinem Team am Wake Forest Institute for Regenerative Medizin in Winston-Salem, North Carolina, züchtet er Organe im Labor. Das klingt wie Zukunftsmusik aus Frankensteins Versuchsanstalt, wären da nicht Atalas Erfolge aus den letzten Jahren: Atala war der erste, der 2006 einem jungen Spina-Bifida-Patienten ein im Labor gezüchtetes Organ einsetzte, in diesem Fall eine Harnblase. »Ich war ständig krank, ständig bettlägerig, meine Niere und Blase funktionierten nicht richtig«, sagt Luke Masella, heute Kapitän der Wrestling-Mannschaft seiner Uni in Connecticut; auf der TED-Bühne schwärmte er von Atalas Leistung: »Heute führe ich ein normales Leben, weil sie meine eigenen Zellen für die Blase benutzt haben. Es ist meine eigene Blase!«
Atala, eigentlich ausgebildeter Kinderurologe, versuchte sich zuerst an der Blase, weil sie vergleichsweise einfach strukturiert ist, aber nun forscht er an komplexeren Organen: Leber und Niere.
Bis jetzt mussten Ersatz-Organe wie die von Luke Masella mühevoll einzeln im Labor gezüchtet werden. Das ist angesichts der Zahl der Organe, die gebraucht werden, höchstens eine Lösung für einige wenige Patienten. Deshalb experimentiert Atala mit einer neuen Idee: Organe aus dem 3D-Drucker.
Die 3D-Drucker-Technologien haben sich inzwischen so rasant weiter entwickelt, dass damit nicht nur ganze Flugzeugteile, Hauswände und Prothesen, sondern sogar Gelenke, Halswirbel und Ohren passgenau gedruckt werden können, sozusagen maßgeschneiderte Ersatzteile für den menschlichen Körper. »3D-Drucker haben den Vorteil, dass sie extrem präzise sind«, schwärmt Atala. Der Pionier hatte schon vor 14 Jahren, lange vor dem jetzigen 3D-Hype, einen normalen Tintenstrahldrucker so umgebaut, dass er dreidimensional drucken konnte. Dabei sind lebende Organe natürlich eine viel größere Herausforderung als Flugzeugteile: Sie müssen fein verästelte, funktionierende Blutgefäße haben, Nährstoffe und Sauerstoff an die richtigen Stellen transportieren und vom menschlichen Körper als eigenes Organ akzeptiert werden. Inzwischen hat Atalas Team eine Maschine patentiert, die Zellmaterial Schicht für Schicht als Gerüst für menschliche Organe ausspuckt. Das wichtigste: Der Drucker ist so konstruiert, dass er feinste Gefäße herstellen kann. Sogenannte Mikrodüsen pressen Gefäße, die 80 Mal feiner sind als ein menschliches Haar.
So funktioniert es: Atala füttert den Drucker mit sogenannter »Bio-Tinte«. Ein biologisch abbaubares Material, das wie Gummi aussieht, formt die Struktur, die dann mit einem Hydro-Gel gefüllt wird, das die Zellen enthält. Dafür nutzt Atala mehrere Arten von Stammzellen, die er aus der Fruchtblase von Schwangeren gewinnt oder im Idealfall körpereigene Zellen des Patienten, damit der Körper das neue Organ nicht als Fremdkörper abstößt. »Die größte Herausforderung ist, die Zellen während des Druckvorgangs am Leben zu halten und die komplexe Struktur der Organe präzise nachzubilden«, sagt Atala. Bisher ist es ihm gelungen, Haut, Muskeln und Knochen zu drucken und erfolgreich in Tiere einzupflanzen. Er vergleicht das Biomaterial mit Zuckerwatte: »Genau wie die Fasern von Zuckerwatte schafft es diese röhrenartige Struktur, die wir als Biomaterial zur Hilfe bei der Regeneration Ihres Körpers benutzen können.«
Haut zu drucken ist am einfachsten, weil sie flach ist. Atala hofft, die neue Haut direkt auf die Wunde scannen zu können und plant unter anderem eine Kooperation mit dem Unfallkrankenhaus in Berlin-Marzahn, um Verbrennungsopfern mit Hauttransplantationen zu helfen. Die Technik funktioniert bereits, praktiziert wird sie auch von anderen Instituten wie TeVido BioDevices aus Texas, die Hautgewebe für Unfallopfer und Brustwarzen für Brustkrebs-Patientinnen drucken.
Atalas Gewebedrucker ist aber wohl der raffinierteste. Er druckte mit seiner Maschine schon einen Teil eines Kieferknochens, der einem Patienten erfolgreich eingesetzt wurde. Aber lebenswichtige Organe wie Leber und Nieren sind wesentlich komplexer. Sie purzeln schließlich nicht funktionsfähig aus der Maschine, sondern entfalten erst nach der Implantation im Körper ihr Potenzial.
Atala hat inzwischen erfolgreich Nieren aus dem Drucker in Ratten eingepflanzt. Eine Niere zu drucken, dauert nur knapp sieben Stunden – ein Klacks im Vergleich zur aufwändigen Laborzüchtung. Atala glaubt, dass er auch noch das größte Problem lösen kann, mit dem er derzeit kämpft, nämlich die Größe: Die Nieren, die er druckt, sind etwa so groß wie Zitronen – für Menschen also noch deutlich zu klein. Atala bleibt zuversichtlich: »Alles nur eine Frage der Zeit«.