Das Problem? Ölkonzerne wälzen die Verantwortung für die Klimaerwärmung auf die Allgemeinheit ab.
Die Lösung: Das Recht auf eine intakte Umwelt einklagen und die Verantwortlichen zur Verantwortung ziehen.
Das wird ein Kampf in der allerschwersten Gewichtsklasse: Arnold Schwarzenegger, Ex-Terminator und ehemaliger kalifornischer Gouverneur, hat vor, sich mit einigen Giganten anzulegen. Im Frühjahr hat er auf der SXSW-Messe in Austin, Texas, angekündigt, die Ölkonzerne zu verklagen, und zwar wegen nichts geringerem als Mord. »Sie töten Menschen auf der ganzen Welt«, wütete Schwarzenegger und zog den Vergleich zur Tabakindustrie: »Das ist genau wie das Raucherproblem. Die Tabakindustrie wusste seit Jahren und Jahren und Jahrzehnten, dass Rauchen Menschen umbringt, ihnen schadet und Krebs verursacht, aber sie versteckten diese Tatsache vor den Leuten und verleugneten sie. Dann wurden sie schließlich vor Gericht gezogen und mussten Hunderte Millionen Dollar bezahlen.«
Genauso, meint Schwarzenegger, wüssten die Ölkonzerne seit 1959, seit sie ihre eigenen Studien dazu machen, dass fossile Brennstoffe Klimaerwärmung verursachen und außerdem riskant und tödlich für das Leben vieler Menschen sind. Er kündigte an, sich in die Sache reinzubeißen »wie eine Zecke«. Denn es sei »absolut unverantwortlich zu wissen, dass ein Produkt Menschen tötet und nicht einmal eine Warnung darauf zu schreiben, wie beim Tabak«, sagt er. »Jede Tankstelle, jedes Auto, jedes Produkt aus fossilen Brennstoffen sollte einen Warnhinweis tragen. Wenn ein Mensch einen Raum betritt mit der Absicht zu töten, ist das Mord und das ist bei den Ölfirmen nicht anders.«
Schwarzenegger engagiert sich schon länger fürs Klima. Noch zu seiner Zeit als Gouverneur von Kalifornien hat er eine Initiative namens R20 ins Leben gerufen, die an vielen Orten der Welt Klimaschutz-Projekte fördert. Am 15. Mai findet in Wien der nächste R20-Weltgipfel statt, zu den Eröffnungsrednern gehören der österreichische Bundespräsident Van der Bellen und UN-Generalsekretär Guterres, natürlich neben Schwarzenegger selbst.
Jetzt mal ganz abgesehen davon, dass der Mann nicht der glaubwürdigste Protagonist ist – schließlich hat Schwarzenegger jahrelang mit seinen überdimensionierten Hummer-Benzinschluckern geprotzt – muss man aber zugeben, dass er mit der Idee, Ölkonzerne zu verklagen, grundsätzlich Recht hat; auch ist er nicht der einzige, der diesen Plan verfolgt. So haben die US-Städte San Francisco und Oakland die fünf größten Ölkonzerne verklagt: BP, Chevron, ConocoPhillips, Exxon und Shell. Und zwar nicht wegen eines Öllecks oder anderen konkreten Vorfalls, sondern wegen grundlegender Täuschung: Die Konzerne wüssten seit Jahrzehnten, dass sie zur Klimaerwärmung beitragen, machten trotzdem weiter wie bisher und versuchten auch noch, mit groß angelegten PR-Kampagnen die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel in Zweifel zu ziehen und bei den Menschen Zweifel über die wahren Ursachen der Klimakatastrophe zu schüren. Also, so die Forderung, müssten die Konzerne einen Teil ihrer Profite auch dafür hergeben, um die Infrastruktur zu schaffen, die der Staat braucht, um sich vor dem steigenden Meeresspiegel zu schützen. Warum sollen der Staat und die einzelnen Bürger die Kosten tragen, wenn Häuser überschwemmt werden, während die Ölkonzerne Umsatzrekorde melden?
Es sind zwar nicht die Ölkonzerne allein, die zur Klimaerwärmung und Umweltverschmutzung beitragen. Aber bei denen ist es doch besonders augenfällig, dass sie – wie die Tabakindustrie – seit Jahrzehnten sehr genau wissen, dass ihre Praktiken Menschenleben gefährden und den Schaden andere ausbaden müssen. Inzwischen haben auch New York und Boulder ähnliche Grundsatz-Klagen gegen die schmutzigen Fünf angekündigt. New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio gibt den Ölkonzernen ganz direkt die Schuld am Tod von 44 Opfern von Hurrikan Sandy und Sturmschäden in Höhe von 19 Milliarden Dollar: »Es ist eine Tragödie, die von den Taten der Erdölfirmen verursacht wurde. Nun knöpfen wir uns die vor, die davon profitiert haben.«
Zum ersten Mal hatte jetzt eine ähnliche Klage Erfolg: 25 junge Kolumbianer zwischen sieben und 26 Jahren haben gerade Rechtsgeschichte geschrieben. Sie haben erstmals erfolgreich ihre Regierung verklagt, weil sie zu wenig tut, um die Klimaerwärmung aufzuhalten. Der Oberste Gerichtshof gab den Klägern im April Recht: Ja, die Regierung unternahm nicht genügend, um die Abholzung des Regenwalds aufzuhalten, obwohl sie doch offiziell versprochen hatte, diese Praktiken bis 2020 zu stoppen. Ganz im Gegenteil: Jedes Jahr lasse sie eine Fläche roden, die fast 300 000 Fußballfeldern entspricht. Das gefährde, so das Gericht, ganz direkt das Recht der Kläger auf eine intakte Umwelt, Leben, Gesundheit, Essen und Wasser. Die Richter verlangen vom Präsidenten und den Umwelt- und Agrarministerien, innerhalb von fünf Monaten einen »Inter-Generationen-Pakt für das Leben im Amazonas-Gebiet« vorzulegen. Das Gericht erkannte sogar an, dass das Amazonasbecken selbst Rechte hat und der Staat die Pflicht hat, es zu beschützen und zu bewahren.
Da horchen besonders 21 junge Amerikaner auf, die eine ganz ähnliche Klage in Oregon eingereicht haben: Zusammen mit 20 anderen Kindern und Jugendlichen hat die 12 Jahre alte Avery McRae mit der Umweltorganisation Our Childrens Trust die US-Regierung, den Präsidenten und die großen Energiekonzerne verklagt. Avery ist die zweitjüngste Klägerin. Als Kind, sagt Avery, habe sie ein Recht auf eine intakte Umwelt und die Regierung müsse mehr gegen die Klimaerwärmung unternehmen. Die ersten Hürden hat die Klageschrift schon genommen: Dass Trump den Klimawandel anzweifelt, hilft den Klägern sogar, denn der Richter hat bereits entschieden, dass die Argumente auf wissenschaftlichen Befunden beruhen müssen, und da sieht Avery die Kläger im Vorteil. »Ich habe Angst, dass der Klimawandel so außer Kontrolle gerät, dass wir die Folgen nicht rückgängig machen können«, sagt Avery und fordert, »dass die Regierung, der Präsident und die Energiekonzerne mehr tun müssen, um meine Zukunft zu schützen. Sie müssen meine Generation und die Generationen nach mir beschützen.«
Wie die Kolumbianer und die Kalifornier machen auch die amerikanischen Jugendlichen individuellen Schaden geltend: Avery musste eine Wanderung durch den Yellowstone Park absagen, weil der Schwund der Pinien die Bären im Park zu hungrig und damit zu aggressiv machte. Der 19 Jahre alte Alexander Loznak hat Angst, er könne den Familienbauernhof, den seine Ur-Ur-Ur-Ur-Großmutter gründete, wegen einer nahen Fracking-Stätte nicht weiterführen.
Die Trump-Regierung hat vergeblich versucht, die Klage abzuwehren. Die Gerichtsverhandlung steht bevor, und zum ersten Mal werden die Ölkonzerne ihre Verleugnung des Klimawandels vor Gericht verteidigen müssen.
Was wäre, wenn wir das Prinzip zu Ende denken?
Wenn wir unser Grundrecht, gesunde Luft einzuatmen, sauberes Wasser zu trinken und Überschwemmungen abzuwehren, wirklich geltend machen können? Wenn nicht nur Kinder ein Recht auf eine unversehrte Zukunft einklagen können, sondern sogar die Erde selbst einen Rechtsschutz genösse? Wenn wir Mutter Erde wie ein Lebewesen das Recht zugestehen, nicht vergewaltigt zu werden?
Das wäre tatsächlich ein richtig guter Fall für den Zorn des Terminators.