Das Problem: Die Corona-Krise macht die Superreichen noch superreicher, während viele um ihre Existenz bangen.
Die Lösung: Milliardenvermögen höher besteuern.
Wie viele Menschen zeigte auch der Produzent David Geffen vor Wochen ein Foto aus der Quarantäne auf Instagram: Zu sehen waren ein fabelhafter Sonnenuntergang und seine 140 Meter lange Luxusjacht. Die Wut in den Kommentarspalten glühte daraufhin so feuerrot wie der Sonnenball. Während unsereiner, wenn’s gut läuft, in einer Zweizimmerwohnung mit Hinterhofbalkon feststeckt, suchen die Superreichen Schutz in ihren malerisch gelegenen Drittvillen, fliegen ohne Ansteckungsangst im Privatjet und lassen sich das Hummer-Dinner aus dem Edel-Lokal liefern.
In Amerika kursiert ein Witz, der nicht lustig ist: Wer einen Corona-Test will, muss einem reichen Menschen ins Gesicht husten. Das Virus an sich differenziert zwar nicht nach arm und reich, aber die Armen und die Reichen scheiden sich am Virus. Das macht nicht nur neidisch, sondern auch wütend. Es gibt sozusagen zwei Pandemien: Eine tödliche für die Unterschicht – und eine profitable für die obersten 0,01 Prozent.
Zwar stehen 36 Millionen Amerikaner ohne Job da, die Schlangen vor den Essenstafeln strecken sich über Kilometer, und die Nothilfe für kleine Firmen brach innerhalb von Tagen zusammen, dafür enthielt das amerikanische Not-Paket extra Geschenke nur für Wohlhabende, zum Beispiel Steuervorteile nur für Firmen mit mehr als 25 Millionen Dollar Umsatz im Jahr und Haushalte, die mehr als eine halbe Million im Jahr einnehmen. Das unparteiische »Joint Committee on Taxation« hat ausgerechnet, dass 80 Prozent der Steuervorteile aus dem amerikanischen Corona-Paket Leuten zugute kommen, die mehr als eine Million im Jahr verdienen. »Applaus für unsere Krankenpfleger und Feuerwehrleute ist schön«, wütete New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo, »aber noch schöner wäre, sie angemessen zu bezahlen.«
Die amerikanischen Milliardäre sind Krisengewinnler: Sie haben ihr Vermögen seit Beginn der Pandemie um etwa 10 Prozent oder mehr als 300 Milliarden Dollar vermehrt
Die amerikanischen Milliardäre sind Krisengewinnler: Sie haben ihr Vermögen seit Beginn der Pandemie um etwa 10 Prozent oder mehr als 300 Milliarden Dollar vermehrt und besitzen nun gemeinsam mehr als 3,2 Billionen. Jeff Bezos allein verdient derzeit etwa 15 Millionen Dollar pro Stunde und hat seit dem 1. Januar 25 Milliarden mehr auf dem Konto. Nun sei ihm dieser fabelhafte Stundenlohn ja gegönnt, aber gleichzeitig hat Amazon im letzten Jahr einen Steuersatz bezahlt, von dem der Normalo nur träumen kann – 1,2 Prozent für 13 Milliarden Dollar Gewinn. Derweil packen Amazon-Arbeiter Pakete im Akkord und beschweren sich, dass in den Lagerhäusern die Zeit und das Geld fehlt, die Corona-Schutzmaßnahmen umzusetzen.
Oder Tesla-Chef Elon Musk: Ihm steht in diesem Jahr ein Bonus von 700 Millionen Dollar zu, er hat aber gerade Tausende Arbeiter in unbezahlte Kurzarbeit geschickt und trotz Verbot einfach seine Fabrik in Fremont wieder in Betrieb genommen, ohne ein schlüssiges Konzept zum Corona-Schutz seiner Belegschaft vorzulegen. Da könnte man schon auf Ideen kommen ...
Die 400 reichsten Amerikaner besitzen zusammen mehr als drei Billionen oder 3000 Milliarden. Weil diese viele Nullen recht abstrakt sind, hat sich ein kluger Kopf (ich weiß nicht wer) die Mühe gemacht, eindrucksvoll zu visualisieren, wie soviel Geld konkret aussieht. In der Grafik kann man sich direkt anschauen, wie Arme, Mittelschichtler, Lagerhausarbeiter, Beyoncé und Bezos im Vergleich dastehen. Man muss ziemlich lange nach rechts scrollen, aber das ist der Sinn der Sache.
Mit nur 3 Prozent dieses Geldes, so der unbekannte Autor, könnte man jeden Amerikaner auf das Coronavirus testen oder Malaria dauerhaft besiegen. Mit gut 5 Prozent könnte man die 38 Millionen Amerikaner, die derzeit unter der Armutsgrenze leben, aus der Armut befreien. Mit 8 Prozent der Summe könnte man jedem Menschen auf diesem Planeten Zugang zu sauberem Trinkwasser und Toiletten ermöglichen. Und mit 85 Prozent der Summe könnte man all diese Probleme angehen und gleichzeitig allen einkommensschwachen Amerikanern aus der Patsche helfen. »Indem man dieses Vermögen umverteilt, würden Millionen Leben gerettet. Milliarden würden von Armut und Krankheiten befreit«, schreibt der Autor. »Indem nur 400 Leute den Gürtel etwas enger schnallen, könnte die ganze Menschheit sich auf ein neues, noch nie dagewesenes Niveau weiterentwickeln.« Und das Beste: Alle 400 der reichsten Amerikaner wären danach immer noch Milliardäre.
Davon träumen nicht nur Habenichtse wie ich, oder Vordenker wie die Wirtschaftsprofessoren Emmanuel Saez und Gabriel Zucman von der University of California Berkeley, die bereits recht konkrete Ideen für die höhere Besteuerung der Superreichen entwickelt haben. Solche Stimmen kommen längst auch aus den Reihen der Millionäre und Milliardäre selbst. Investorenlegende und Multimilliardär Warren Buffett beschwert sich seit Jahren, dass der Steuersatz seiner Sekretärin (35,8 Prozent) doppelt so hoch ist wie seiner (17,4 Prozent). Er möchte von Vermögen über eine Milliarde sechs Prozent abzapfen. Auch Investor George Soros, der Hedgefonds-Manager Ray Dalio und der gerade gescheiterte Präsidentschaftskandidat Michael Bloomberg, etwa 57 Milliarden schwer, fordern eine Vermögenssteuer für das reichste Eintausendstel, weil sie erkannt haben, dass die wachsende Ungleichheit dramatische Folgen hat.
Eine der lautesten Stimmen ist die Filmemacherin Abigail Disney, 60, Enkelin des Disney-Mitgründers Roy O. Disney. Einen Teil ihrer geerbten Disney-Millionen setzt sie seit Jahren für soziale Zwecke ein.
2011 trat sie den »Patriotic Millionaires« bei, einer Vereiningung sehr wohlhabender Menschen, die es unanständig finden, dass der Staat ihnen so viele Vorteile verschafft, während viele Amerikaner trotz zwei oder drei Jobs nicht über die Runden kommen. Ihr Slogan: »Bitte erhöht unsere Steuern!«
Als der Disney-Konzern Ende April verkündete, er müsse zwar leider die Hälfte seiner 220.000 Beschäftigten in unbezahlte Kurzarbeit schicken, würde aber trotzdem wie vereinbart das 1,5 Milliarden Dollar schwere Bonuspaket für die Chefs auszahlen, empörte sich Abigail Disney in einem Twitter-Thread über diesen »Scheißdreck« und machte einen Gegenvorschlag: »Die 1,5 Milliarden könnten die Gehälter aller Angestellten für drei Monate zahlen.« (CEO Bob Chapek und der bisherige CEO Bob Iger hatten zwar angekündigt, ihre Gehälter ebenfalls zu kürzen, das betrifft aber wohl nicht ihre umfangreichen Bonuspakete.)
Dem New Yorker sagte Abigail Disney, sie habe schon mehr als die Hälfte ihres etwa 125 Millionen Dollar umfassenden Vermögens gespendet, aber das sei noch nicht genug. »Ehrlich gesagt, wenn du Milliardär bist und nur die Hälfte deines Vermögens verschenken willst, stimmt was nicht mit dir. Es ist echt nicht so hart: Gibt einfach einen Teil deiner ohnehin üppigen Kompensation ab, vor allem in diesem Jahr.«
Es geht auch anders: Dan Price, dem CEO des Finanzunternehmens Gravity Payments, wurde vor fünf Jahren klar, dass viele seiner Mitarbeiter die ständig steigenden Mieten in Seattle kaum noch bezahlen konnten. Nach einigem Nachdenken kürzte er sein Gehalt von 1,1 Millionen Dollar auf 70.000 Dollar und beschloss, künftig all seinen 120 Mitarbeitern einen Mindestlohn von 70.000 Dollar zu zahlen. Zwei langjährige Angestellte kündigten, erbost darüber, dass Neulinge nun fast soviel verdienten wie sie selbst, aber insgesamt ging die Strategie auf: Die Produktivität habe sich vervierfacht, sagt Price, und vor Bewerbungen und Kundenanfragen könne er sich kaum retten.
Letzte Woche passte er seine Bezüge erneut an: »Ich habe heute mein Gehalt auf Null gesenkt«, twitterte er. Denn: »Ich will null Angestellte entlassen. Das ist nicht viel, aber es ist, was ich tun kann. Zusammen schaffen wir das.«