Rainer Werner Fassbinder [*Bad Wörishofen, 31.5.1945, † München, 10.6.1982], Filmregisseur, Autor, Reizfigur.
Kürzlich hat die New York Times im Gärtnerplatzviertel einen alternativen Hinterhof entdeckt und frohlockt. Bisserl blöd, dass jener Hinterhof demnächst platt gemacht wird und einem Neubau weichen muss. Platt gemacht wird auch der Gärtnerplatz selbst. Auf dem Rondell im Herzen der Stadt ging es in letzter Zeit ein wenig zu wild zu; da haben sich Leute ins Gras gesetzt, getrunken und gelärmt. Das darf nicht sein, weshalb jetzt Bänke hinkommen und Omis. Dem Münchner ist es halt suspekt, wenn die Stadt urban zu werden droht, weshalb er auf alles Subkulturelle mit Zero-Tolerance-Politik reagiert. Was hätte wohl Fassbinder dazu gesagt, was mit seinem Viertel passiert? Hätte er, der sein kurzes Leben lang wie ein Berserker gegen alles Kleinbürgerliche anrannte, den Bauzaun am Gärtnerplatz umgetreten? Wer weiß. Jedenfalls wabert Fassbinders Geist gerade durch die Stadt wie schon lange nicht mehr. Die Münchner Kammerspiele haben die Wohnung seiner Kindheit in der Sendlinger Straße besetzt und in eine Art Kneipe, Theater und Disko (samt Darkroom) verwandelt. Hätte ihm bestimmt gefallen. Und auch in seiner Stammkneipe, der »Deutschen Eiche« ein paar Meter vom Gärtnerplatz, werden Schlafzimmer zu Theaterbühnen. Besonders subversiv ist das Schauspielprojekt mit dem Namen Bunnyhill (eine Anspielung auf Münchens berüchtigtes Viertel Hasenbergl), wenn es eine Bürgerinitiative gründet, die den trostlosen Gärtnerplatz retten soll. An dieser Stelle merkt man: Es ist alles nur gespielt. Die Hochkultur tut nur so, als sei sie Subkultur. Das Genie Fassbinder dient lediglich als Subkultur-Surrogat.
Wie schade. Dabei könnte München so wild sein. Es bräuchte bloß mal wieder einen Kerl wie den Fassbinder, der hier so richtig aufräumt. Quatsch: Unordnung stiftet. Leider ist der Gute tot. So tot wie der Gärtnerplatz und der Rest der Stadt.
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