Die intimste aller Bars

Die Minibar im Hotel öffnet man müde, verzweifelt und nackt, oder euphorisiert, gackernd, hüpfend und nackt. Ein Dank an den kleinen Kühlschrank, der Teil von so vielen magischen Momenten ist.

Foto: Maurizio Di Iorio

Man darf von Minibars sicher nicht erwarten, dass sie einen glücklich machen. Dass sie bei Einsamkeit helfen oder Beziehungsproblemen. Dass sie trösten oder Antworten haben. Umso schöner, wenn sie es dennoch immer wieder tun.

Das Wort Minibar ist stark irreführend. Es hebt als Unterscheidung zur Bar heraus, dass jene auf dem Hotelzimmer kleiner sei. Das stimmt, ist aber die unwichtigste Abwandlung von jenem Ort, an dem Menschen sitzen, die gesehen werden wollen, gegenüber von Barkeepern, die gesehen werden wollen, weil es etwas zu teilen gibt. Glück, Erfolg, eine neue Liebe, eine alte Liebe, manchmal auch Leid und Verzweiflung. Aber die Bar ist öffentlich, alles hier passiert vor den Augen anderer für die Augenanderer.

Die Minibar müsste Privatbar heißen. Aber auch das trifft es nicht genau, denn sie steht ja nicht zu Hause, ist keine Kühltruhe in einem Partyraum im Keller, sondern sie steht dort, wo man wesentlich offenwundiger ist – unterwegs. Intimbar könnte passen. An dieser Bar kann man die Stimmung des Tages konservieren, sie noch mal ganz für sich behalten. Hierher begibt sich, wer eben nicht unter den Augen anderer sein will.

Meistgelesen diese Woche:

Verheult wird diese Schranktür geöffnet, müde, verzweifelt, nackt, oder euphorisiert, gackernd, hüpfend, nackt. Die Intimbar hat freie Sicht auf den Rest der Nacht. Liegen schon die Chips bereit, läuft der Fernseher? Gibt es Gepäck, wurde es überall verteilt? Oder wird jede Unterhose gleich zurückverstaut? Wurde hier schon geschlafen, schon geduscht, schon umgeräumt? Ist hier jemand angekommen, oder läuft jemand davon?

Ich, die ich Intimbars einiges zutraue, habe neulich eine tolle Erfahrung gemacht. Ich war für mehrere Nächte in einem sehr schönen Hotel und habe alle Abende auf dem Zimmer verbracht. Nachdem ich zwei Abende hintereinander das Gleiche konsumiert hatte, standen am dritten Abend diese beiden Dinge nicht nur in doppelter Ausführung in der Intimbar. Das ist Wirtschaftlichkeit und rührt nicht an. Sie standen aber auch drapiert auf der Auslagefläche der Intimbar. Andere Sachen waren beiseitegeräumt oder in die Tür einsortiert worden, damit Platz hatte, was ich mag: zentral die Packung Kinderschokolade und die kleine Flasche Wodka, daneben ein Wodkaglas, bereits mitgekühlt. Ich musste laut lachen. Ich weiß nicht, ob es zu den Dingen gehört, die Luxushotels auf Tripadvisor über sich lesen wollen, aber es ist wahr: Danke für die Kommunikation über die Intimbar, ich habe mich sehr wohl gefühlt.

Intimbar trifft es natürlich immer noch nicht so richtig. Denn während der erste Teil des Wortes nun passt, ist der zweite waghalsig. Es ist keine Bar, es ist ein Kühlschrank. Ein kleiner Kühlschrank. Ein kleiner intimer Kühlschrank. Ein kleiner intimer Zauberkühlschrank.