Warum setzt das Sättigungsgefühl erst nach 20 Minuten ein?

Schnell noch eine Portion hinterher: Lange vor uns weiß der Magen bereits, dass wir genug hatten. Warum das so ist und weshalb wir häufig gar nicht merken, ob wir hungrig oder satt sind, erklärt eine Expertin.

Illustration: Ryan Gillet

Petra Bracht, Fachärztin für Allgemein- und Ernährungsmedizin, unterstützt Menschen dabei, ihr Hunger- und Sättigungsgefühl zu trainieren:

»Das Sättigungsgefühl entsteht durch ein Signal, das vom Magen-Darmtrakt an unser Gehirn gesendet wird. Über sogenannte Mechanorezeptoren, die an der Magenwand sitzen, werden Informationen über die Ausdehnung des Magens an die ‘Schaltzentrale’ unseres Körpers, den Hypothalamus, weitergegeben. Im Darm befinden sich zudem die sogenannten Chemorezeptoren, die erfassen, wie viel Nährstoffe wir aufgenommen haben. Für diese Übertragung sind vor allem zwei Hormone verantwortlich: Für das Hungergefühl Ghrelin, das in der Magenwand produziert wird und für die Sättigung das in den Fettzellen entstehende Leptin. Bis das Sättigungssignal im Hypothalamus ankommt, braucht es in der Regel 20 Minuten. Die Dauer variiert von Mensch zu Mensch und hängt unter anderem davon ab, wie schnell man isst und was man isst.

Viele Menschen kennen dieses Sättigungsgefühl jedoch gar nicht mehr. Besonders bei Menschen mit vielen Fettzellen und einem dadurch hohen Leptin-Spiegel dringt das Hormon nicht mehr bis zum Hypothalamus durch und sie entwickeln eine Leptin-Resistenz. Das liegt daran, dass sich durch ständiges Essen dauerhaft Insulin im Blut befindet, das unseren Blutzuckerspiegel schnell ansteigen, aber auch wieder absinken lässt. Dadurch entsteht trotz hohem Leptin-Spiegel ein Hungergefühl. Aber auch psychologische Faktoren spielen eine Rolle: In der Amygdala befindet sich unser Belohnungszentrum, in dem Dopamin produziert wird. Dopamin macht uns glücklich, aber auch süchtig. Evolutionär betrachtet ergibt das Sinn, da unser Dopaminspiegel ansteigt, wenn wir Nahrung sehen. Heutzutage bringt uns dieser Mechanismus jedoch meist nichts mehr, da wir überall ständig Essen sehen.

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Die gute Nachricht ist, dass man sich das durch Leptin ausgelöste Sättigungsgefühl wieder antrainieren kann. Wer abnehmen oder generell weniger essen möchte, dem bleibt am Anfang jedoch erst einmal nichts anderes übrig, als diese Mechanismen zu verstehen und ohne ein einsetzendes Sättigungsgefühl mit dem Essen aufzuhören. Etwas austricksen können wir unseren Körper dennoch: Vor einer vollwertigen Mahlzeit kann ein Glas Wasser oder ein Salat sowie Rohkost helfen, um den Magen zu dehnen. Ausgiebiges Kauen ist zudem nicht nur besser für die Verdauung, es macht uns auch schneller satt. Grund dafür ist, dass durch das Kauen eineinhalb bis zweieinhalb Liter Magensaft pro Tag produziert werden, die zusätzlich den Magen ausdehnen.«