Schließt Käse wirklich den Magen?

Wegen Überfüllung geschlossen. Denn Käse schließt den Magen. Ob an dem Sprichwort echt was dran ist, wie viele Verdauungsschritte der Magen eigentlich hat und was der hohe Fettanteil von Käse verursacht, erklärt eine Oecotrophologin. 

Illustration: Ryan Gillet

Eva-Maria Endres ist Oecotrophologin und Expertin für Ernährungskommunikation, Esskultur und kulinarische Bildung. Sie lehrt an der Hochschule Anhalt und promoviert zum Thema Ernährung in sozialen Medien. Zudem berät sie Unternehmen der Food-Branche und entwickelt Bildungsangebote rund ums Essen:

»Dass Käse den Magen schließt, ist grundsätzlich nicht komplett aus der Luft gegriffen. Das liegt daran, dass unser Magen drei Verdauungsphasen hat. Zuerst kommt die nervöse Phase, auch reflektorische Phase genannt. Das ist der Moment, in dem uns das Wasser im Mund zusammenläuft, weil wir das Essen sehen und riechen. Dabei wird der Magen angeregt, erste Verdauungssäfte auszuscheiden. Die zweite Phase ist die lokale Phase im Magen. Durch das Ausschütten der Magensäure wird hierbei der Speisebrei zerkleinert und möglichst optimal für die anschließende Aufnahme der Nährstoffe im Dünndarm vorbereitet. Die dritte Phase ist die intestinale Phase, die im Dünndarm stattfindet. Dabei kommuniziert der Dünndarm: Hallo Magen, ich habe jetzt mit der Nährstoffaufnahme begonnen, du kannst jetzt ein bisschen langsamer machen und ich gebe dir ein Zeichen, wenn du dann was nachschieben kannst. Der Verdauungstrakt des Menschen ist ein sehr faszinierendes, hochintelligentes System, weil die verschiedenen Organe über Hormonausschüttungen miteinander kommunizieren.

Käse besteht hauptsächlich aus Fett und an zweiter Stelle aus Eiweiß. Weil die Fettverdauung relativ aufwändig ist und der Verdauungsprozess besonders lang dauert, liegt uns fettes Essen schwer im Magen. Das liegt daran, dass die Fettmoleküle nicht wasserlöslich sind, sondern für den Körper über ein besonderes Enzym überhaupt erstmal aufnahmefähig gemacht werden müssen. Wenn fetthaltige Speisen in den Magen gelangen – in diesem Falle der Käse – sendet der Dünndarm ein Signal an den Magen, dass jetzt die Fettverdauung stattfindet, also dass der Speisebrei langsamer nachfließen soll. Hierbei wird das Hormon Sekretin ausgeschüttet, was die Magensäure-Ausschüttung im Magen stoppt. Zusätzlich verschließt sich der Schließmuskel zwischen Magen und Dünndarm, sodass erstmal nicht so viel Speisebrei in den Dünndarm nachrutschen kann. Dadurch setzt das Sättigungsgefühl ein.

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Das heißt, Käse kann dazu beitragen, dass man sich nach Abschluss einer Mahlzeit satter fühlt. Das große Aber ist jedoch, dass Käse aufgrund des hohen Fettgehalts auch sehr schwer im Magen liegen kann. Gerade wenn recht spät gegessen und noch eine halbe Käseplatte vernascht wird, kann das durchaus zu Schlafproblemen führen, weil der Körper die nächsten sechs Stunden mit Verdauungsprozessen beschäftigt ist. Trotzdem sind Verdauung und Ernährung immer total individuell. Es zeigt sich immer wieder, nicht jeder Mensch verdaut gleich, jeder Stoffwechselvorgang ist unterschiedlich. Deshalb sollte man sich, wenn man nach dem Abendessen zum Käse greifen möchte, letztendlich auf das Gefühl seines Körpers verlassen und sich fragen: Tut mir das gut?«