Die Klimaschutz-Zwickmühle

Unser Leser fährt seit vier Jahren ein Elektroauto. Das Umweltbundesamt bietet ihm nun an, CO₂-Zertifikate an ein klimabelastendes Unternehmen zu verkaufen, damit dieses Strafzahlungen umgehen kann. Würde er damit nicht ein falsches Signal senden?

Illustration: Serge Bloch

»Ich fahre seit vier Jahren ein Elektroauto, um der Umwelt etwas Gutes zu tun und die Energiewende voranzutreiben. Vom Staat wird mir nun seit letztem Jahr die Möglichkeit angeboten, über das Bundesumweltamt Zertifikate an ein kraftstoffproduzierendes Unternehmen zu verkaufen, welches zu viel CO₂ produziert und durch den Erwerb dieses Zertifikats Strafzahlungen verhindern kann. Ist es als Halter eines E-Autos moralisch legitim, diese Möglichkeit zu nutzen, oder sollte man lieber auf dieses Geld verzichten, um die Unternehmen zu zwingen, ihre CO₂-Produktion schneller zu reduzieren?« Carsten O., Gräfelfing

Sie haben völlig Recht mit Ihrer ­Vermutung, dass die THG-Prämie (Treibhausgasminderungsprämie) oder -Quote in erster Linie den Mineralölkonzernen zugutekommt. Sie ist Teil eines Systems, das den Konzernen konkrete Vorgaben zur Emissionsminderung macht. Statt weiter fossilen Sprit zu verkaufen, sollen sie sich transformieren, um künftig erneuerbare Energie für klimaschonende Elektroautos zu liefern. Allerdings senkt die Prämie den Druck auf die Konzerne, zu handeln. Seit Anfang 2022 bekommen E-Autofahrer pauschale Quoten für den Strom, den sie zu Hause laden. Diese können die Konzerne aufkaufen, statt selbst Ladesäulen zu errichten. Die Notwendigkeit, die Transformation rasant voran­zutreiben, wird dadurch deutlich abgefedert. Und die Kosten reichen sie durch steigende Benzinpreise an diejenigen weiter, die noch Autos mit Verbrennungsmotor fahren.

Als weiteres Argument für die Prämie wird gerne angeführt, dass sie Anreiz sein kann, auf Elektro umzusteigen. Allerdings bringt die Prämie pro Fahrzeug höchstens an die 400 Euro pro Jahr. Das ist zu wenig, um Menschen zu motivieren, sich ein relativ teures Elektro­auto anzuschaffen, die es nicht ohnehin schon vorhatten. Andere europäische Länder haben mit anderen Methoden mehr Erfolg, etwa einer Neuzulassungssteuer für besonders klimaschädliche Autos. In Dänemark kann diese bis zu 150 Prozent des Auto-Kaufpreises betragen, da denkt es sich über die Angelegenheit doch gleich noch mal ganz ­anders nach.

Meistgelesen diese Woche:

Doch trotz der beschriebenen Probleme rät der Verkehrsexperte von Greenpeace Deutschland, Benjamin Stephan, nicht dazu, die ­Prämie einfach verfallen zu lassen. »Die Treibhausgasminderungsquoten fallen sonst an den Bund zurück, und der wird sie weiterverkaufen. Sie wird also letztlich so oder so bei den Mineralölkonzernen landen.« Also nehmen doch besser Sie das Geld und machen damit, was Ihnen sinnvoll erscheint.