Mund aufmachen!

Ein Leser will in politischen Diskussionen nichts Falsches sagen – und schweigt deshalb lieber. Was kann er tun, damit er von seinen Mitmenschen nicht als dümmlich wahrgenommen wird?

Illustration: Serge Bloch

»In politischen Diskussionen im Freundeskreis brauche ich oft lange, um mir eine klare Meinung zum Thema zu bilden. Um keinen unbedachten Quatsch zu reden, schweige ich lieber. Dadurch denke ich oft, die anderen halten mich für etwas dümmlich. Wie komme ich aus der Nummer raus?« Sven B., Hannover

Mir geht es genauso wie Ihnen, dann hat man mal was gelesen, eine Haltung dazu und fühlt sich sicher genug, die auch zu äußern, zack, kommt jemand mit Zahlen oder Umfragen, die dem zu widersprechen scheinen, und dann fehlen einem die passenden Argumente und damit die Sicherheit zum Weiterdiskutieren. Ich halte mich aus politischen Diskussionen deshalb auch gerne raus und umgebe mich vorsichtshalber möglichst mit Menschen, deren politische Haltung sich in den großen wichtigen Fragen mit meiner deckt.

Allerdings glaube ich, dass Sie und ich es uns etwas zu bequem machen. Es klingt zwar ehrbar, lieber nichts zu sagen als etwas Halbgares, aber bei der aktuellen politischen Lage sollte man nicht aus Unsicherheit verstummen. Und es ist ja auch wirklich viel leichter als früher zu wissen, wofür und wogegen man ist. Deshalb sollten wir uns, und ich rede hier ausdrücklich auch mit mir selbst, nicht länger im vornehmen Schweigen ausruhen, sondern uns ruhig mal mit Meinungen raustrauen. Oft verfertigen sich diese ja auch erst beim Formulieren oder durch Fragen, die man stellt, und man muss nicht jedes Detail über die Geschichte der Landtagswahlen in Thüringen wissen oder über die neuen europäischen Regelungen für Schadstoffemission, bei allgemeineren politischen Diskussionen kann man sich auf seinen Verstand und sein Herz ver­lassen, so als groben Kompass, auf was denn auch sonst.

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Ich glaube, wenn man jemanden sagen hört: »Man darf ja heutzutage gar nicht mehr sagen, dass …«, wäre das ein guter Moment, sich ins Gespräch zu mischen. In Deutschland hat schon mal ein zu großer Anteil der Bevölkerung geschwiegen und es vorgezogen, sich auf Unwissenheit herauszureden. Ich gehe neuerdings auch zu Demonstrationen. Das Beste daran: Man kann schweigend teilnehmen, man muss überhaupt nicht diskutieren.