»Meine Tochter hat vor Kurzem erwähnt, dass sie die Kindergeburtstagsparty ihres Sohnes (1. Schuljahr) um drei Wochen vorverlegen und feiern will, da er während der Ferien Geburtstag hat und da viele Freunde verreist sind. Ich halte mich nicht für besonders abergläubisch, aber einen Geburtstag vorzufeiern, finde ich unpassend. Auf meine Frage, warum sie nicht nach Ferienende einladen will, entgegnete sie, dass der Abstand zwischen Geburtstag und Feier dann noch größer sei. Ich habe das so hingenommen, merke aber, dass mir das Vorfeiern nicht behagt. Stelle ich mich an? Oder sollte ich meine Tochter zumindest darauf hinweisen, dass es die Eingeladenen beziehungsweise deren Eltern möglicherweise auch befremdlich finden?« Ursula L., Bielefeld
Sie stellen sich nicht an, Sie machen sich Sorgen. Denn Sie hängen dem im deutschsprachigen Raum und etwa auch in Russland weit verbreiteten Aberglauben an, dass es Unglück bringe, einen Geburtstag vorzufeiern. Man möchte sozusagen das Glück nicht herausfordern, denn, den Brauch einmal zu Ende gedacht: nicht dass der Tod einen zur Strafe vorher holt. Dann hätte man den Salat. Einen anderen Grund, gegen das Vorfeiern eines Geburtstages zu sein, als diesen aus Zeiten mit hoher Kindersterblichkeit stammenden Aberglauben, gibt es nicht. Es ist vielleicht interessant zu wissen, dass dieser Brauch in vielen anderen Ländern überhaupt nicht bekannt ist. In Frankreich oder den USA etwa wird ohne Scheu vorgefeiert.
Das bedeutet nicht, dass Sie Ihre Meinung ändern müssen. Nur würde ich Sie gerne grundsätzlich auf etwas hinweisen: Was die Erziehung von Kindern angeht, hatten Sie Ihren Moment. Das soll nicht unhöflich klingen, aber Sie waren erziehungsberechtigt für exakt eine Personengruppe: Ihre eigenen Kinder. Wie nun diese die Erziehung Ihrer Enkel gestalten, können Sie finden, wie Sie wollen, aber Sie haben dabei nicht mitzureden. Es sei denn, man fragt Sie ausdrücklich um Ihre Meinung. Ich kenne so viele erwachsene Kinder, die darunter leiden, wie ihre Eltern, also die Großeltern, mitregieren wollen, ich kann an dieser Stelle wirklich nur dafür plädieren, die Generationengrenzen einzuhalten und sich im Luftanhalten zu üben. Sie haben Ihren Job bereits gemacht. Bravo dafür. Und jetzt entspannen Sie sich und vertrauen Ihren Kindern: Die werden das schon gut machen. Nicht zuletzt, weil Sie sie dabei begleitet haben, die Erwachsenen zu werden, die sie sind. Im konkreten Fall: Nehmen Sie die Entscheidung Ihrer Tochter einfach weiter so cool hin. Und denken Sie immer dran: Ob Sie’s nun falsch machen oder Ihre Kinder – es wird in jedem Fall falsch sein!
