Liebe zukünftige Lieblingsfrau,
ich war am Meer, drei Tage lang, mit einer Frau. Wir sind den Strand entlanggelaufen, vorwärts in den Wind gebeugt. Wir haben in einer Bretterbude Pommes mit Parmesankäse gegessen, was eine erstaunlich gute Mischung ist, und Champagner dazu getrunken. Und Möwen beleidigt, damit sie wenigstens ein Mal in die Kamera gucken. Wir haben eine halbe Nacht Mau-Mau gespielt, als ginge es um Leben und Tod, uns massieren und in Heilerde verpacken lassen, wir haben mit baumelnden Beinen auf dem Steg gesessen und mit einem Bier in der Hand zugesehen, wie die Sonne untergeht. Es wird nie besser als das.
Es war das erste Mal seit einer langen Zeit, dass ich mehrere Tage am Stück mit einer Frau verbracht habe, pärchenhaft, und davor war es Ewigkeiten lang immer die eine, von der ich gedacht hatte, es wäre die Eine. Und ich hatte ehrlich gesagt vergessen, was für ein Wunder es ist, dass man miteinander klarkommt, obwohl man tagelang keine Privatsphäre hat.
Hoteldesigner sind die größten Romantiker: Ein durchschnittliches Hotelzimmer ist für ein Paar gebaut, das sich zu gut kennt, um im Bad eine ordentliche Tür zu brauchen. In manchen modernen Hotelbadezimmern sind selbst die Wände aus Glas und die Privatsphäre schlechter regelbar als auf Facebook. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber so wenig ich grundsätzlich dagegen einzuwenden habe, dass du mir beim Duschen zusiehst, würde es mich doch ein bisschen unter Druck setzen, wenn du es immer tätest. Ich bin sicher, ich würde versuchen, da irgendeine Show draus zu machen, und eine Show von mir unter der Dusche würde ich mir nicht einmal vorstellen wollen, wenn ich es könnte. Vielleicht sind Hoteldesigner auch die pragmatischsten Menschen der Welt: Verbringt drei Tage zu zweit in einem Hotelzimmer, und ihr wisst, ob ihr euch ertragen könnt. Ich habe einmal, vor langer Zeit, das schönste Kompliment bekommen, das ein Mensch machen kann. Es lautet: »Du bist der einzige auf der Welt, der mich nicht nervt«. Leider war es nicht wahr.
Es ist einigermaßen skurril sich zu beobachten, wenn man das erste Mal wieder so lange zu zweit ist: In einem Moment genieße ich die Nähe und stelle im nächsten fest, was mich alles wahnsinnig macht an anderen Menschen. Ich genieße die Freiheit und werde eine Sekunde später überrollt von einer Erinnerung. Früher, als ich noch keine Vergangenheit hatte, lag die Zukunft so selbstverständlich vor mir, dass ich sie mir nicht einmal ausmalen brauchte. Was zählte war jetzt, und jetzt konnte fliegen. Heute hat es einen vollen Rucksack auf, und manchmal muss ich es zwingen, ihn abzusetzen und wenigstens loszurennen, direkt in die Brandung, so schnell es geht, bis eine Welle ihm die Füße wegreißt, es eintaucht in das kalte Wasser und das Salz in seinen Augen brennt. So geht es mir immer: Ich spüre am meisten, wenn ich mir nicht mehr vormachen kann, ich würde klar sehen.
Ich weiß nicht, ob du das warst, mit der ich am Meer war, aber ich weiß, dass es der schönste und der belastendste Satz zugleich ist: Es wird nie besser als das. Denn ich will unbedingt glauben, dass es immer besser wird, und gleichzeitig will ich, dass es genau jetzt passiert, und ich will es genießen und mir keine Gedanken darüber machen, dass der schönste Moment meines Lebens nie wiederkommt, wenn er vorbei ist.
Man kann Momente nicht erschaffen, so wie man Nähe nicht designen kann. Man kann sie nur zulassen. Und dann können sie in allem sein: In dem Lachen über den Witz, den nur wir verstehen. In dem wütenden Protest, wenn du drei Runden eines Kinderkartenspiels in Folge verlierst. Oder in dem Fischbrötchen, das wir uns teilen, weil das zweite eine riesige Möwe gefressen hat. Und manchmal sogar darin, dass man allein auf einem Balkon sitzt und ein paar Zigaretten lang über die Dünen aufs Meer schaut, einfach damit du deinen Kopf für einen Moment für dich hast, und das verdammte Badezimmer natürlich auch.
Du nervst mich nicht. Und mehr als das, manchmal sehe ich dich an und dein Blick macht, dass ich mich selbst nicht nerve. Dass die Vergangenheit vorbei ist und die Zukunft nur das, was ich aus ihr machen werde. Und dann spüre ich es: genau jetzt.
Foto: Stephanie Pfaender