Dieses Jahr machte ein texanisches Paar von sich reden, das im Fernsehen von seinen 18-stündigen Orgasmen schwärmte, die es nur durch Umarmen erreicht. Der Clip aus der britischen Fernsehsendung verbreitete sich viral, da die beiden Moderatoren sich das Lachen nicht verkneifen konnten und das Interview vor lauter Heiterkeit beenden mussten. Was im starken Kontrast stand zu der Ernsthaftigkeit, mit der das Paar über seine tantrischen Erfahrungen berichtete. Mit noch größerer Ernsthaftigkeit können wir sagen: Ist nicht eigentlich die Zeit zwischen den Jahren so etwas wie ein sanfter Dauerorgasmus des Jahres, ein dreieinhalb Tage anhaltender Zustand äußerster Lust, viel angenehmer und elementarer als die phallischen Entladungen des baumgeprägten Weihnachtsfest und der raketengeschwängerten Silvesternacht? Ein Zustand, indem die Spannung, die sich über Monate aufgebaut hat, zu Wohlgefühl wird, eine innige Umarmung des Stillstands mit der Vergänglichkeit?
Zwar ist dies erstmal nur die metaphorische Überhöhung eines oft als grau und ereignislos geschilderten Zeitraums, der traditionell genutzt wird, um Geschenke zu besuchen, Verwandte zurückzugeben oder Unterlagen bei Behörden einzureichen. Und es wäre ein Irrtum, wenn man die zwischen den Jahren meist unstrukturierte Zeit würde nutzen wollen, um auf die 52 Mal Sex pro Jahr zu kommen, die Wissenschaftler der York University in Kanada Paaren neuer Forschung zufolge als ideale Sexfrequenz empfehlen. Die Wissenschaft sagt, dass die Lebenszufriedenheit bei einmal Sex pro Woche am höchsten ist; Versuche, dies am Ende des Jahres zumindest im Mittelwert durch gezieltes Nacharbeiten zu erreichen, könnten jedoch zu der Jahreszeit unangemessenem Stress führen.
Nein, man müsste den Höhepunkt des Jahres viel grundsätzlicher begehen: Viele Menschen sind ihrem eigenen Körper und dem ihres Partners unter Umständen so entfremdet, dass hier erstmal eine Wiedergewöhnung angezeigt ist. In einer neuen Veröffentlichung der Zeitschrift Personality and Individual Differences bringen zwei Psychologen Persönlichkeitsmerkmale mit bestimmten Verhaltensweisen in Verbindung. Demnach laufen intelligente und aufgeschlossene Menschen besonders gern nackt in der Wohnung herum. Hierzu findet sich im Alltag jedoch oft nicht genug Gelegenheit: jemand klingelt, es zieht, die Vorhänge sind in der Wäsche. Zwar ist nicht gesagt, dass im Umkehrschluss nackt in der Wohnung Herumlaufen intelligent macht, und eine minimale Kenntnis wissenschaftlicher Verfahren lässt befürchten, dass nicht. Aber einen Versuch wäre es wert, und wann, wenn nicht auf dem stillen Höhepunkt des Jahres, wenn kein Paketbote mehr klingelt, keine Weihnachtsfeier mehr dräut, kein Keks mehr gebacken werden will, und noch viel Zeit ist, um die Brennpaste unterm Fondue anzufeuern. Ein neues Ritual zwischen dem alten und dem neuen Jahr, schnell, Heizung rauf, Klamotten runter, bevor sie einen Namen dafür erfinden und eine Zeitschrift darüber machen.
Illustration: Eugenia Loli