Das Holz zum Klingen bringen

Wie wird aus einem Stapel Holz ein Musikinstrument, so wertvoll, dass Konzerthäuser dafür sechsstellige Summen zahlen? Fotograf Chris Payne hat die Steinway-Fabrik in Astoria, Queens, besucht.

Name: Christopher Payne
Geboren: 1968 in Boston, Massachusetts
Wohnort: New York City
Ausbildung: Architekturstudium an der Columbia University und der University of Pennsylvania
Website: www.chrispaynephoto.com

»To build the best piano possible«, lautete das Ziel des jungen Instrumentenbauer Heinrich Engelhard Steinweg, der 1850 mit seiner Familie von Deutschland nach Amerika übersiedelte und sich fortan Henry E. Steinway nannte. Heute stehen seine Flügel in den größten Konzerthäusern der Welt. Der Fotograf Christopher Payne ist fasziniert vom industriellen Erbe Amerikas und bekam die Erlaubnis, dort zu fotografien.

SZ-Magazin: Herr Payne, spielen Sie selbst Klavier?
Christopher Payne: Als Kind hatte ich für eine kurze Zeit Klavierstunden. Mein Vater und meine Großmutter waren beides Pianisten, aber ich kann nicht mehr spielen.

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Erkennen Sie trotzdem einen Steinway am Klang?
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich den Unterschied zwischen einem Steinway und einem anderen Klavier erkennen würde. Aber mir wurde gesagt, der amerikanische Steinway klänge erdiger als die in Europa und Asien in Lizenz gebauten Steinways.

Sie haben den gesamten Herstellungsprozess von Anfang bis Ende begleitet.
Der Bau eines Modell D Concert Grand dauert locker ein Jahr. Es gibt an die 350 Arbeiter in der Fabrik. Bis die Tastatur, die Saiten und der Resonanzboden eingesetzt werden, ist das Klavier eigentlich nur ein großes Möbelstück und selbst nach der Fertigstellung muss es mehrere Male gestimmt werden, bevor es als Musikinstrument bezeichnet werden kann. Alle Steinways werden auf dieselbe Art und Weise gebaut, mit denselben Teilen – aber jedes Klavier klingt unterschiedlich.

Welcher Arbeitsschritt hat Sie am meisten beeindruckt?
Das Biegen des sogenannten Rims. Wenn der innere und der äußere Rim des Klaviergehäuses zu einer einzigen Form gebogen werden. Alle Steinway-Gehäuse werden, je nach Modell, aus 12 bis 18 nur 8 Millimeter dünnen Ahornlaminierungen gebaut. Die Arbeiter haben ungefähr 20 Minuten, um die Laminierungen um die Rim-Presse zu biegen, bevor der Kleber härtet, deshalb müssen sie schnell sein. Ich fand diesen Schritt faszinierend, denn er wurde seit 1878, als Theodore Steinway diese Methode patentieren ließ, nicht mehr verändert. Zu sehen, wie sich einfache Streifen Holz in so eine unverwechselbare, ikonische Form verwandeln, ist ziemlich berührend. 

Welche Musik hören Sie?
Das klingt nach einem Klischee, aber ich mag fast alles – auch elektronische Musik, die hilft mir, mich zu konzentrieren, wenn ich am Computer arbeite.

Wenn Sie die Chance hätten, die Herstellung eines weiteren Instruments begleiten zu dürfen, welches wäre das?
Das wäre wahrscheinlich die Orgel, wegen ihrer massiven Größe und der komplexen Mechanik. Mein Vater war auch Orgelspieler und hat auf einigen Instrumenten gespielt, an denen schon Bach persönlich saß.

Sie haben eigentlich Architekt gelernt, jetzt fotografieren Sie hauptberuflich. Wieso der Wechsel?
Ich habe während meiner Arbeit als Architekt angefangen, mich für Fotografie zu interessieren. Das passierte ganz aus der Not heraus. Mein erstes Buch hieß New York's Forgotten Substations: The Power Behind the Subway und war ursprünglich als Buch mit Zeichnungen gedacht. Ich hatte keine Zeit, die Skizzen vor Ort fertig zu machen und habe deshalb Fotos gemacht, die mir später helfen sollten, sie zu vervollständigen. Die Schnappschüsse wurden immer komplexer und irgendwann habe ich festgestellt, dass mir die Vorbereitung und das Schießen der Fotos mehr Spaß machen, als das Skizzieren. Es war ein schleichender Prozess, aber als das Buch fertig war, wusste ich, ich habe meine Berufung gefunden.