Name: Tomasz Gudzowaty
Geboren: 1971 in Warschau, Polen
Ausbildung: Jurastudium, Fotografie im Selbststudium angeeignet
Homepage: www.gudzowaty.com
SZ-Magazin: Viele Männer schauen gerne Frauen beim Stangentanz zu, würden das aber ungern zugeben. Wie stehen Sie dazu?
Tomasz Gudzowaty: Es ist im Grunde nichts Schlechtes daran, dass Menschen von Körpern und Sexualität fasziniert sind, aber ich persönlich gehe nicht gerne in Nachtclubs. Mein Interesse am Stangentanz wurde durch meine Arbeit in der Sportfotografie geweckt. Seit Jahren arbeite ich an einem Projekt über Randsportarten, sowohl kultureller als auch geografischer Art. Ich begann mit Chinesischer und Indischer Kampfkunst, dann folgten Pferderennen in der Mongolei.
... und schließlich der Stangentanz?
Ich kann mich nicht genau erinnern, wie ich darauf gekommen bin. Vielleicht als ich Fotos von Turnieren gesehen habe, die Stangentanz-Vereinigungen auf der ganzen Welt organisieren. Am auffälligsten an diesen Bildern war das Fehlen von Männern. Mir wurde klar, dass das Veranstaltungen von Frauen für Frauen sind. Der Stangentanz hat sich gewandelt von der Präsentation auf einer Bühne, wo man sich an einer Stange anbietet, hin zu einem Muskeltraining, einer großen Show von elastischen Körpern, Stärke und Ausdauer, kurz gesagt zu einer echten Sportdisziplin.
Wie haben Sie die Stangentänzerinnen auf Ihren Fotos ausfindig gemacht?
Über eine Tanzschule in Sydney bin ich an die Frauen gekommen. Ich glaube, dass das Wesentliche jeder Sportart am stärksten abseits des Auftritts zum Vorschein kommt. Eines Tages entschied ich, Porträts der Frauen zu machen, Familienporträts waren der nächste Schritt.
Haben die Tänzerinnen ein ganz normales Familienleben?
Ich würde sagen, dass ziemlich alle ein normales Familienleben haben und nach dem, was man hört, auch normale Beziehungen.
Hatten Sie das Gefühl, dass die Familien der Tänzerinnen deren Beruf akzeptieren?
Soweit ich weiß, tanzen die meisten Frauen nicht in Nachtclubs. Sie sind professionelle Tanzlehrerinnen und Fitnesstrainerinnen, was als anständiger Job angesehen wird. Selbstverständlich ist viel Zauber in der Show, besonders bei Turnieren, wenn High-Heels, Make-Up und Kostüme erforderlich sind – aber nicht, um die Männer in der ersten Reihe zu unterhalten. Die meisten Männer, die im Enmore Theatre in Sydney beim Wettbewerb zugesehen haben, waren Freunde und Verwandten der Frauen.
Warum Schwarz-Weiß?
Da verweise ich auf mein Lieblingszitat aus der antiken chinesischen Schrift Daodejing: „Die fünf Farben machen der Menschen Auge blind.“ Ich glaube nicht, dass Schwarz-Weiß-Fotografie künstlerischer ist. Tatsächlich bewundere ich die Arbeit von wahren Meistern der Farbe. Aber für mich ist Farbe einfach nicht notwendig, um zu vermitteln, was ich vermitteln möchte – schon gar nicht in der Sportfotografie.
Sie haben einige Jahre als Sportfotograf gearbeitet. Was ist Ihnen lieber: die statischen Fotos von Menschen in Ihrer Reihe oder dynamische Sportbilder?
Fotografie ist eine statische Aufnahme der sich ständig wandelnden Welt. Meine Fotoreihen sind Geschichten, die visuell erzählt werden. Ich verwende Porträts, Szenen oder Detailaufnahmen dort, wo ich sie wichtig für die Vorstellung finde. Selbstverständlich können sogenannte dynamische Aufnahmen etwas ergänzen. Ich war aber nie daran interessiert, einen Moment festzuhalten, um meine Fähigkeit, den Auslöser schnell genug zu drücken, unter Beweis zu stellen. Ich fotografiere Sport, ich mache selbst Sport, aber Fotografie ist kein Wettbewerb. Ein dokumentierender Fotograf meiner Sorte zu sein bedeutet, die Komplexität des menschlichen Erlebens in all seinen sich verändernden und gleichbleibenden Aspekten sichtbar zu machen.
Fotos: Tomasz Gudzowaty