Namen: Claudio Sieber
Alter: Geboren 1981 in der Schweiz
Website: www.claudiosieberphotography.com
Ausbildung: Kaufmann/Marketingfachmann
Projekt: »Love goes beyond death - Torajas bizarre heritage«
SZ-Magazin: Wie sind Sie auf den Totenkult der Toraja aufmerksam geworden?
Claudio Sieber: Da ich sehr interessiert an fremden Kulturen und deren Traditionen bin, habe ich bereits vor meiner Reise nach Indonesien eine umfangreiche Recherche durchgeführt. Mein Eindruck ist, dass es heute nur noch wenige Völker gibt, die ihre eigenen Kulte unter dem Einfluss der Massenreligionen retten konnten. Bei den Toraja ist alles noch sehr pur, sehr unverstellt. Sie praktizieren ihren Totenkult nicht als Touristenzirkus. Das hat mich fasziniert.
Hat Ihre Vorrecherche Sie auf das vorbereitet, was Sie sehen würden?
Auf so etwas kann man sich nicht vorbereiten. Ich habe meinen Vater in jungen Jahren verloren, somit habe ich mich früh mit dem Tod auseinandersetzen müssen. Trotzdem ist eine Reportage über die Traditionen der Toraja ein zwiespältiges Unterfangen. Man dokumentiert im Grunde Beerdigungen fremder Familien, ich wollte aber kein »Funeral Crashing« betreiben. Deshalb schwankte ich vor allem in der ersten Zeit zwischen Gewissenskonflikten und Vorfreude. Die Toraja sind jedoch ein sehr lebensbejahendes Volk. Die Tage der Beerdigung sind Tage der Freude. Das nahm mir ein wenig die Angst.
Was waren dabei die am stärksten herausfordernden Momente?
Ich denke, am meisten hat mich wohl die bedingungslose Liebe für die Familie bewegt. Und dann gab es noch einige extreme Momente. Einmal wurde mir zum Beispiel ein totes Baby in die Arme gelegt damit die Familie Fotos machen konnte. Diese Erinnerung wird mich für immer begleiten. Auch die Fütterung der Toten, die teilweise über Jahre mit im Haus wohnen, ist sehr skurril gewesen. Verstörend, aber auch schön.
Wie reagieren die Menschen auf Ihre Fotografien?
Zunächst sind viele geschockt. Es ist eine Konfrontation mit etwas ganz Fremdem, das man nicht versteht oder verstehen will. Ist dieser erste Moment überwunden, kommen oftmals Gefühle der Freude und Faszination auf. Viele finden diesen liebevollen Umgang mit dem Tod beim zweiten Hinschauen wunderschön.
Sie zeigen in Ihrer Serie sehr intime, emotionale, traurige aber auch lustige Augenblicke - wie bewerten Sie im Vergleich dazu den Umgang mit dem Tod in westlichen Ländern?
Für uns ist es in der Regel ein Trauermoment, wenn wir den liebsten Menschen verlieren. Der Tod ist für uns kein schönes Thema, deshalb spielt der tote Körper in unserer Kultur auch keine bedeutende Rolle. Die Clans der Toraja hingegen zelebrieren Beerdigungen als Feste der Freude, da sie an ein nächstes Leben glauben. Der Körper ist für sie nur Kleidung, daher fürchten sie das Sterben nicht. Unser Umgang mit dem Tod wäre für die Toraja genauso schockierend.
Was verändert sich im Familienverbund der Toraja mit dem Tod einer geliebten Person?
Ich habe Leute begleitet, die ein paar Tage zuvor Angehörige verloren haben. Natürlich sind sie auch traurig. In der Familienstruktur an sich verändert sich dadurch aber nichts. Im Gegenteil: Es ist eher so, dass der Tod und auch die »Ma'Nene«, die Ahnenpflege, als Gelegenheit betrachtet werden, sich wiederzusehen, zusammen zu essen, zu trinken und Geschichten auszutauschen. Der Tod festigt die Bindungen innerhalb der Familie und bringt alle noch näher zusammen.
Hat diese Arbeit Ihren eigenen Blick auf den Tod verändert?
Ich fand den Gedanken, dass man den Tod feiern sollte, schon immer schön. Viele Völker sehen das Sterben als einen weiteren Schritt des Daseins an. Ich mag die Vorstellung, den Tod als Ehrentag zu feiern. Die Zeit bei den Toraja hat mich in dieser Hinsicht sehr inspiriert.
Fotos: Claudio Sieber