Wie fühlt man sich als Enfant terrible des Theaters, Pınar Karabulut?

Die Theater- und Opernregisseurin im Interview ohne Worte über wilde Premierenfeiern, eingeschüchterte Intendanten und Julia ohne Romeo.

Geboren 1987 in Mönchengladbach
Beruf Theater- und Opernregisseurin
Ausbildung Studium Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte und Neuere deutsche Literatur an der Ludwig-Maximilians-Universität in München 
Status Stellt sich schon mal auf die Hinterbeine

Womöglich wäre das deutschsprachige Theater heute viel eintöniger, hätte Pınar Karabulut als Fünftklässlerin nicht Charlotte Roche bei einer Aufführung der Theater-AG ihrer Schule auf der Bühne gesehen. Sie fand Roche so cool, dass sie gleich der Gruppe beitrat, erzählt Karabulut in einem Podcast. So entdeckte sie ihre Liebe zum Theater. Aber auch, was sie daran bis heute stört: »die alten Regeln, die von Männern gemacht wurden«. In ihren Inszenierungen bricht sie diese Regeln, sie hinterfragt, welche Figuren vorkommen und wer sie spielt, Kritiker nennen ihre Stücke oft »radikal«. Am Schauspiel Köln nehmen in ihrer Version von Romeo und Julia die Männer kaum Raum ein, dafür treten selbstbewusste Frauen auf. An den Münchner Kammerspielen zeigte sie Das Erbe, das an die rassistischen Anschläge auf eine türkische Familie 1992 in Mölln erinnert. Ab der Saison 2025/26 übernimmt sie mit Rafael Sanchez die Intendanz am Schauspielhaus Zürich. Ihr Vorsatz, die Theaterwelt aufzumischen, fußt auch auf ihren eigenen Erfahrungen: Am Anfang hätten ältere Kollegen ihr oft abgesprochen, Regisseurin werden zu können. Sie habe ihren Wunsch umso lauter geäußert, denn: »Wenn ich es nicht mache, wird nie jemand eine Chance kriegen.« Am 19. Dezember hat sie mit Der Zähmung Widerspenstigkeit Premiere am Deutschen Theater in Berlin.