Sagen Sie jetzt nichts, Edgar Selge

Der Schauspieler Edgar Selge im Interview ohne Worte über sein Flirt-Gesicht, Tipps gegen Lampenfieber und wie es war, wenige Meter vor einem Gefängnis zu leben. 

Geboren 27. März 1948 in Brilon
Beruf Schauspieler
Ausbildung Studium der Philosophie, Schauspielstudium an der Otto-Falckenberg-Schule
Status Arm dran

Als das Hamburger Schauspielhaus zuletzt Stehplatzkarten verkaufte, war Adenauer noch Kanzler. Jetzt ist es wieder so weit, und Edgar Selge ist der Grund dafür. Der bestuhlte Theatersaal ist zu klein für all die Menschen, die ihn sehen wollen. Seit zwei Jahren spielt Selge Michel Houellebecqs Unterwerfung, einen Monolog, zwei Stunden und vierzig Minuten lang. Für diese Rolle erhielt Selge 2016 den Deutschen Theaterpreis »Der Faust«, und sechsmal wird die Vorstellung demnächst an den Münchner Kammerspielen zu sehen sein (11.–13. Mai, 4.–6. Juni). Auch für das Fernsehen verkörperte er Houellebecqs Antihelden François – im Juni strahlt die ARD die Romanverfilmung aus. Selge ist, das merkt man ihm nicht an, gerade siebzig geworden. Seine ersten Lebensjahre verbrachte er im ostwestfälischen Herford, nur wenige Meter entfernt von einem Gefängnis, sein Vater war der Direktor. Die Häftlinge arbeiteten im Garten der Familie, manchmal versuchten sie auf dem Fahrrad des jungen Edgar zu flüchten. Auch das hat Selge geprägt: gefangen sein und ausbrechen. Was ihn heute frei macht, eine neue Rolle etwa, kann ihn morgen schon einengen. Unwahrscheinlich also, dass Selge noch lange François sein will. Für den Moment aber genießt er es, die Moral auf der Bühne abzulegen.