Wovon hat die Gegenwart zu wenig?

Der Schauspieler Ulrich Matthes im Interview ohne Worte über Zeitunglesen, die Frage, wie relevant das deutsche Theater ist und was von seiner Rolle als Joseph Goebbels geblieben ist.

Geboren 9. Mai 1959 in West-Berlin 
Beruf Schauspieler
Ausbildung Germanistik- und Anglistikstudium in Berlin (abgebrochen)
Status Homo politicus

Endlich mal einer aus dem linksliberalen Milieu, der mehr tut, als sich auf Twitter zu empören: Ulrich Matthes ­demonstriert auf der Straße gegen die AfD, weil er sie als »rechtsradikal und demokratiegefährdend« betrachtet. Überhaupt ist er jemand, der alles, was er macht, auch seine Arbeit am Theater, auf die politischen Konsequenzen abklopft. »Ich bin einer von den Zauseln, die sich manchmal auf Phoenix eine Bundestagsdebatte angucken«, sagte er mal. Und dass er es für eine wesentliche Aufgabe des ­Theaters halte, die Leute dazu einzuladen, in Widersprüchen zu denken. Damit hat er etwas verstanden, was zu vielen Menschen zu wenig bewusst ist: Nicht nur die Rechten schwimmen in einer Blase, sondern auch die Theater- und Biomarktgänger. Matthes ist eine Rarität, weil er nicht nur ein exzellenter Darsteller, sondern auch engagiert, mündig, belesen, ehrlich, wütend und getrieben ist. 2009 lehnte er ein Angebot für einen Hollywoodfilm an der Seite von Tom Hanks ab, um am Deutschen Theater Berlin in einem Arthur-Schnitzler-Stück mit Nina Hoss zu spielen. Ob aus Liebe zur Bühne oder Verehrung für Nina Hoss – das weiß nur er. Am 3. Mai empfängt er als Präsident der Deutschen Filmakademie zum Deutschen Filmpreis.