Martha ist verärgert. Ihre Schwester kann sie nicht beschwichtigen, und ich darf es nicht versuchen. Martha zieht aus und verschanzt sich im Zimmer unserer Mitbewohnerin Hanna, während ich im Flur wütend mit den Worten meines Vaters schimpfe: So geht das nicht! Weiß ich doch, dass jeder ein eigenes Zimmer braucht. Suchen wir uns eine Dreizimmerwohnung, sage ich. Drei? Die Kinder schauen. Und wo soll Hanna schlafen? Nach dem wir ein Jahr in ihrer Wohnung gelebt haben, gehört sie zur Familie. Ich erkläre, dass Hanna hier bleibt. Enttäuschung.
Zu den ersten Besichtigungen kommen Martha und Louise mit. Sie tanzen durch leere Räume, sagen, dies soll mein Zimmer werden, hier wird mein Bett stehen, dort in der Küche ist Platz für ein Tisch, und wenn wir aus dem Fenster schauen, sehen wir den Kirchturm – ist die Wohnung teuer, Mama?
Am nächsten Tag immer der Anruf einer freundlichen Frau, leider nein, zur Entscheidung kann sie nichts sagen, Tschüss. Nach drei Monaten höre ich auf zu suchen, die Kinder fragen nicht mehr.
An einer Schwabinger Straßenkreuzung endlich der Auftritt von Herrn Pfeiffer mit drei f, weißes Haar, braune Herrenhandtasche von Aigner. Herr Pfeiffer hat eine Wohnung zu vergeben, der Tipp einer Freundin, die im Haus wohnt. Sie ist zu teuer, ich schaue sie trotzdem an. Mir gefällt Herr Pfeiffer. Und Herrn Pfeiffer gefiele es, würde ich in die Wohnung einziehen, denn sie ist groß genug für eine Mutter mit zwei Kindern, und Kinder, sagt Herr Pfeiffer, brauchen ein ordentliches Zuhause.
Zweite Besichtigung mit meinen Töchtern. Wieder teilen sie die Räume auf, nüchtern diesmal, wer weiß, ob sie wirklich einziehen werden. Darüber denke ich ein ungemütliches Wochenende lang nach. Dann erkläre ich Herrn Pfeiffer, dass ich mir die Wohnung nicht leisten kann, weil ich nie wüsste, wie viel Geld ich verdienen würde. Jedenfalls nicht genug für diese drei Zimmer. Verstehe, sagt er. Die Kinder sagen nichts. Am nächsten Tag ruft Herr Pfeiffer wie gegen Wind in sein Telefon, ob ich die Wohnung nehmen würde, wenn er die Miete reduziere?
Besitz bindet und belastet, heißt es, aber als ich das Geschirr aus Zeitungspapier schäle, fühle ich mich frei. Ein Jahr lang habe ich von Hannas Tellern gegessen und auf ihren Stühlen gesessen, Hannas Leben geteilt wie sie unseres. Eine gute Zeit. Jetzt schauen wir wieder in vertraute Spiegel, stecken die Blumen in Omas Vase, die Hosen in die alte Kommode.
Noch während wir Kartons schleppen, bezieht Martha ihr Zimmer, sie hat sich das kleinste ausgesucht. Ihr Bett ist schon aufgebaut, und so macht sie sich die neue Umgebung wortlos zu eigen: Sie schläft.
Illustration: Grace Helmer