Alle paar Jahre kommen Freunde auf die Idee, eine Mottoparty zu feiern. Schwarzweiß. Bad Taste. Oder Royals. Da gehe ich dann meistens nicht hin. Kann ich ja frei entscheiden.
Aber jetzt wird Louise elf, und sie will – das hat sie sich zusammen mit ihrem Vater überlegt – auf einem Festival feiern. Festivals sind meist Bad Taste und gar nicht royal. Finde ich. Ich google die Veranstaltung und lese: Nascht mit uns an jenem Baum, der die süßesten Früchte trägt. Findet euren Frieden im Wald der Empfindungen. Ich rufe Jan an. Hast dich vertippt, sagt er, wir meinen ein anderes Festival.
Louises Geburtstag ist in den Ferien, Vaterwoche, und als ich nach zwei Stunden Autofahrt in der Sommerhitze mit der bestellten, in Styropor gekühlten Torte auf der Rückbank das Festival erreiche, möchte ich sofort Jan finden und schütteln.
Aber mir läuft meine Tochter entgegen, das Gesicht hell, die Haare zu einem Kranz geflochten, glücklich. Außer mir ärgert sich auf dieser Wiese keiner, hier wirken alle zufrieden. Ich will mir Mühe geben. Parke das Auto, setze mich auf eine Decke. Martha geht vorbei, auch sie wirkt irgendwie gelöst: Arme und Beine sind mit Henna verziert, um den Kopf hat sie ein Stück Stoff gewunden. Sie trägt eine bauchfreie Bluse, noch nie gesehen, und darüber einen Tragetuch, in dem das Kind von Freunden schläft. Sie flüstert: »Er schläft«.
Tatsächlich haben hier Menschen mit verfilzten Haaren Zelte aufgeschlagen. Irgendwo beginnt eine Gruppe zu trommeln, irgendein Beat ist immer. Weitere Kinder tauchen auf, nackt oder auch nicht und verschwinden wieder, während Louise ihre Geschenke zu einem Häufchen stapelt.
Ich wünschte, ich wäre anders. Entspannter. Weniger gegen. Mehr für – was auch immer. Aber das ist der elfte Geburtstag meiner Tochter, und ich bin in irgendetwas hineingeraten. Ich fühle mich fremd in dieser Welt, die meinen Kindern offensichtlich gefällt. Ich bleibe Besuch, geladener Gast.
Ich muss an meine Mutter denken, die sich fast immer wie ein Gast verhielt, wenn sie meine Veranstaltungen wie Schulaufführungen oder Konzerte besuchte. Oft stand sie abseits, blieb zurückhaltend. Im Zweifel kannte sie kaum jemanden. Musste bald wieder los. Und ich sollte das jetzt wiederholen? Louise blickt mich an, sie liest mich, es tut mir leid. In dem Moment beginnt eine Band zu spielen. Es muss die Vorband der Vorband sein, die da Volkslieder singt, dazu Geige und Kontrabass. Katzenmusik, wir sind uns zum Glück einig.
Zwischen den Zelten singen wir selbst, Geburtstagslieder. Dann essen wir Torte mit Jan und Anna, den Kindern und Freunden. Dass ich früher selbst gebacken habe, dass wir einen Gabentisch hatten, Spiele gespielt und allen Gästen Tütchen schenkten, das fällt mir erst ein, als ich wieder in München bin. Ist wohl auch so ein Altersding. Ich erinnere mich an Louises helles Gesicht, als ich meine Wohnungstür aufschließe und denke, dass ihr Frohsinn so ein Festival ein winziges bisschen royaler macht.
Illustration: Grace Helmer