Halb neun, Mittwochabend, Bar du Port. Erstes Patchworktreffen. Wir wollen die Sommerferien besprechen. Anna und Jan kommen, sie müssen nur die Straße überqueren, Louise winkt ihnen aus dem Fenster hinterher und mir zu. Ich erkläre ihr meine Liebe, rufend, es ist Schlafenszeit. Dann setze ich mich auf einen der Hocker neben Jan. Der Vater von Annas Kindern, Hannes, sitzt mir gegenüber. Spielt das eine Rolle, frage ich mich kurz, dass wir ex-paarweise sitzen? Wir bestellen Gin-Tonic und versuchen zu planen, niemand ist besonders diszipliniert. Geschichten. Lachen. Noch eine rauchen.
Wir könnten Kollegen sein. Freunde. Wir sind Familie, eine geflickte. Patchwork. Wollte ich nie. Das sind die, die es nicht geschafft haben, so dachte ich. Wenn ich versuche meine Familiengeschichte zusammenzufassen und von verschiedenen Hochzeiten und Trennungen erzähle, von Umzügen und Schulwechseln, kommen die Menschen durcheinander. Deshalb erkläre ich meine Kindheit meist so ruhig wie eine Krankheit, von der man gehört hat, deren Symptome man allerdings nachschlagen müsste. Meine Töchter sollten eine andere Geschichte haben.
Jan und ich waren 22, als Martha geboren wurde. Louise kam zwei Jahre später zur Welt. Sicher hätte es einen passenderen Zeitpunkt gegeben eine Familie zu gründen. Zumindest aus ökonomischer Sicht. Warum wir Kinder bekommen haben? Komische Frage, hätten wir vermutlich geantwortet. Es hat sich so ergeben. Wir haben die Entscheidung nie bereut, wurden für unseren Mut bewundert, manchmal gefeiert. Und trotzdem fühlte es sich ungehörig an, das Elternsein mitten im Studium. Ein Professor fragte mich: Ach, Sie haben zwei Kinder? Sind Sie alleinerziehend? Und ich erinnere meinen Stolz, als ich ihm antwortete, nein. Die Wut kam erst später. Wir waren zu viert, eine Familie, das schützte mich, uns. Wir würden es besser machen als unsere Eltern.
Ich schaue mich um, sehe uns auf niedrigen Hipsterhockern sitzen und in Notizbücher kritzeln. Albern irgendwie, ich muss lachen. Vier Erwachsene, die überlegen, welches Kind in Woche drei zu seiner Großmutter fahren könnte, welches lieber zum Zelten, als wären wir Pädagogen. Nein, wir haben es nicht geschafft. Nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe. Wir reden miteinander, immerhin. Jans Eltern können das nicht mehr, Annas auch nicht, meine inzwischen wieder. Wir werden andere Fehler machen, sicher, auch wir wissen nicht, was gutes Patchwork ist, weil uns Schnittmuster fehlen. Aber wir haben Ideen, das begreife ich an diesem Abend. Und wenn ich will, kann ich in ihnen mehr sehen als einen Kompromiss.
Illustration: Grace Helmer