Entschuldigung, sagt die Frau Anfang 40, ein Körbchen mit Allerlei am Arm, was kosten diese kleinen Krippen aus Karton? Sechs Euro achtzig, sagt die Ladenbesitzerin. Gut, ich nehme davon eine, sagt die Frau. Das Allerlei, sehe ich, sind Zutaten für einen Adventskalender. Sie wird Säckchen füllen. Mit Murmeln, einer Spieluhr, Haarspangen, handverzierten Keksen. Sechs Euro achtzig, ich hasse sie spontan. Aber dann denke ich, dass sie die Kartonkrippe vielleicht in das Säckchen Nummer 24 stecken will, und das, da hätte sie schon Recht, ist ein kostbarer Tag. Ich starre auf ihren bunten Korb.
Ich habe es genauso gemacht, habe aus Blümchenstoffen 24 Säckchen genäht, die sich mit bunten Bändern verschließen lassen. Ich bin mit einem Körbchen unter dem Arm durch Spielzeugläden und Drogerien gelaufen und habe zwei Mal Haarspangen, zwei Mal Knisterbad, zwei Mal Handcreme eingekauft, Riegel, Weingummi, Glitzerstifte. Dann fehlten meist Zutaten, und in die leeren Säckchen habe ich Zeitungspapier oder Korken gestopft. Manchmal habe ich vergessen, mich um die fehlenden Inhalte zu kümmern. Es kam zu enttäuschenden Situationen. Im Januar habe ich die Riegel weggeworfen und den Krimskrams entsorgt, den kein Mensch braucht außer um Säckchen zu füllen.
Das ist zum Glück vorbei, ich bin Teilzeitmutter. Ich könnte 12 Säckchen füllen, nachdem ich im Kalender überprüft hätte, an welchen Tagen die Kinder bei mir wohnen. Der Countdown auf Weihnachten wäre ein wirrer Zahlentanz. Auch müsste ich Anna, die Freundin meines Ex-Mannes, anrufen und sie fragen, was sie in die anderen 12 Säckchen stopfen wird. Wir müssten uns darauf einigen, dass sechs Euro achtzig zu viel sind. Wir müssten den Charakter der Inhalte bestimmen sowie die Geschichte dahinter. Unsere Säckchen bringen Pütt und Pann, also Topf und Pfanne, so heißen die selbstgestrickten norddeutschen Zwerge. Anna kommt aus München, wer weiß, wer ihre Säckchen liefert.
Dieses Jahr gibt es Kalender mit Türchen, erkläre ich den Kindern. Nicken, mäßige Begeisterung. Für einen Moment stelle ich mir vor, Pütt und Pann brächten wie bisher 24 Säckchen und meine Töchter zögen jede Woche mit ihnen um. Sie hätten einen Koffer wie Handlungsreisende, also Scheidungsreisende, und in der Schule wäre das Säckchen tauschen längst ein typisch vorweihnachtliches Spiel. Hört mal, sage ich, ich hatte früher immer denselben Adventskalender. Die Türchen musste man mit Bienenwachs zukleben, so ausgeleiert waren die. Nicken, mäßiges Interesse.
Ich habe vier Adventskalender gekauft. Ich konnte mich nicht entscheiden und hatte ein schlechtes Gewissen. Jetzt hängen überall glitzerverzierte Kitschkalender, meine Töchter sind bei ihrem Vater. Ich habe vergessen sie zu fragen, ob ich die Türchen für sie öffnen darf.
Illustration: Grace Helmer