No Time to Die heißt der neue Bond-Film, das wissen nach 18 Monaten Wartezeit nun auch die Letzten im kinofähigen Alter. Aber auf Hauptdarsteller Daniel Craig übertragen passt der Titel natürlich überhaupt nicht. Für ihn ist die Rolle mit seinem fünften Auftritt als Bond nun endgültig gestorben, nachdem er schon nach dem vierten Mal erklärt hatte, eher würde er sich die Pulsadern aufschneiden, als noch mal den Geheimagenten zu geben.
Was also zieht man zur finalen Premiere an? Zumal wenn sie in der Royal Albert Hall stattfindet, wo nicht irgendein roter Teppich liegt, sondern quasi die Niagarafälle unter den roten Teppichen warten. Der Wahlomat hätte wahrscheinlich geraten: Smoking, klassisch schwarz, im Zweifelsfall Brioni, so wie die Filmfigur halt. Er hätte schon wieder falsch gelegen. Der 53-jährige Daniel Craig erschien in himbeerfarbener Smokingjacke – himbeerfarbener Samt, um genau zu sein. Und zwar nicht von einem der üblichen Luxuslabel (die Hauptdarstellerinnen trugen Louis Vuitton), sondern von Anderson and Shepherd auf der Savile, der besten, altehrwürdigsten Schneideradresse Londons.
Gegen so ein riskantes Manöver ist jeder Stunt von explodierenden Brücken im Grunde ein Kinderspiel. Mehr »Colour Blocking«, wie man das gezielte Aufeinanderknallenlassen von starken Farben in der Mode nennt, mit dem Rot des Teppichs geht nicht. Das Material ist obendrein ähnlich tiefflorig. Samt kann so aristokratisch wie pomadig aussehen. Aber volles Risiko macht sich bekanntlich manchmal bezahlt. Denn mit einem schwarzen Tuxedo wäre nur ein weiteres Premierenbild entstanden, aber in Rosa setzt Craig gewissermaßen die Himbeere auf die Torte und seinem Bond-Vermächtnis die Krone auf. So unterstreicht er einmal mehr, dass er nicht irgendeine Doppelnull war, sondern die Ausnahmeerscheinung.
Das fing ja schon mit der Haarfarbe an, ging mit seinem Ursula-Andress-Zitat in Badehose und einer gefühlsbetonten Duschszene weiter. Die Welt war erst entsetzt, dann hingerissen. Modisch hat Daniel Craig es allerdings doch eher klassisch gehalten. Anzug, Smoking, enger Blouson, Lederhandschuhe, gelegentlich mal ein am Bizeps spannendes graues T-Shirt.
In No Time to Die allerdings soll der Geheimagent so casual wie nie zuvor auftreten. Es gibt Bilder von ihm im beigefarbenen Cordanzug von Massimo Alba, mit blauem Marinepullover und grauer Cargohose. Das passt einerseits zum Zeitgeist: Die englische Kette Marks & Spencer gab gerade bekannt, in mehr als der Hälfte ihrer größeren Läden keine Anzüge mehr zu verkaufen. Andererseits ist Bond in No Time to Die eigentlich schon pensioniert, zur Unterstreichung verpasst ihm die Kostümdesignerin also Freizeitkleidung. Craig wird sicher auch damit fertig werden, aber wenn die modische Abrüstung so weiter geht, steht der nächste Bond irgendwann in Jeans und Band-T-Shirt an der Bar, und dann fängt er sich wahrscheinlich vor lauter Lässigkeit und mangelnder Körperspannung sofort eine Kugel.
Aber zurück nach London, wo übrigens nicht nur Daniel Craig, sondern die ganze Riege passend zum Plot todschick aussah. Léa Seydoux trug eine weiß silberne Neckholder-Robe mit Chiffoncape, Ana de Armas eine schwarze Robe mit tiefem V-Ausschnitt und funkelnden Kettenträgern. Naomi Harris ergänzte ihr weißes Michael-Kors-Kleid mit einer Kette im Haar statt um den Hals, was nach angedeuteter Haube aussah, aber ein guter Teppich-Trend werden könnte. Sogar Kate Middleton legte sich für Bond ins Zeug und wählte eine für ihre Verhältnisse spektakuläre goldene Robe mit transparentem Umhang.
Eigentlich aber auch kein Wunder: Hatten ja alle ganze 18 Monate Zeit, sich auf diesen Abend vorzubereiten.
Bester Twitter-Kommentar: »Ich suche suche nach etwas, das sagt: Danke Gott, dass ich diesen Scheiß nie wieder machen muss.«
Passender, noch nicht geschriebener Song: »Raspberry fields forever«
Das sagt die Stylistin: »Wenn Sie doch noch mal mitspielen, besorge ich Ihnen fürs nächste Mal so einen coolen silbernen Anzug wie Timothée Chalamet ihn in Cannes anhatte.«