sVor ein paar Wochen trafen sich Camilla Parker-Bowles, die Herzogin von Cornwall, und die Schauspielerin Dame Judi Dench im einstigen Urlaubsdomizil Königin Victorias auf der britischen Isle of Wight zum Eisessen am Strand. Wie zwei alte, braungebrannte Freundinnen stehen sie da in ihren leichten Sommerkleidern mit ihrem Softeis in der Hand und der bonbonfarbenen Hauswand im Hintergrund – ein fotografisches Meisterwerk, das in die Wörterbücher dieser Welt Einzug halten könnte als Bebilderung für »Pastel«. Die beiden gut betuchten britischen Ladies wählten für ihren sommerlichen Auftritt (Dame Judi Dench ist Schirmherrin der auf der Isle of Wight ansässigen »Friends of Osborne«-Organisation) nämlich einen Pfirsich-Creme-Ton (Camilla) und eine hellgrüne Sorbetnuance (Dench) – und das markiert endgültig einen Wendepunkt des Senioren-Dressings.
Lange hielt sich ja die These, ältere Menschen tauchten spätestens mit Rentenbeginn in ihre – modisch gesehen – beigen Jahre ein. Oder ab. Farblos bis zur Unkenntlichkeit. Sogar die Wissenschaft hat sich bereits mit dem sogenannten »Beige-Gen« beschäftigt. Einige Forscher sind gar der Auffassung, der Wunsch nach Unauffälligkeit sei ein Überbleibsel aus der Steinzeit: Auch dort haben sich die alternden Stammesmitglieder lieber natur- und erdfarben gekleidet, statt wie ihre jüngeren Kollegen in bunten Kleidern auf die Jagd zu gehen. So vermieden die schwächeren, wehrlosen Älteren es, aufzufallen – und schützten sich vor Raubtieren.
Auch die Hamburger Filmemacherin Sylvie Hohlbaum ging in ihrem preisgekrönten Werk »Beige« der Frage nach, wie Älterwerden und Beigetragen zusammenhängen. Auslöser war ihr Vater, der kurz nach seinem 65. Geburtstag zur Kluft in Komplettbeige griff. Sie wollte wissen, warum das so ist, die Antworten liefern in ihrem Film die sandfarbig gekleideten Best Ager selbst: »Wir finden, dass das ein schöner Kontrast ist zu der Farbenpracht der Natur, die uns umgibt«, sagt die Sprecherin eines erbeigten Freundeskreises da. »Ich trage Beige, weil meine Frau diese beige Jacke so schön fand. Die trag ich sehr oft im Sommer. Im Winter ist das ja viel zu kalt«, sagt ein anderer Senior in beiger Windjacke. Beige als Reaktion auf die Natur und Jahreszeiten bzw. der eigenen Ehefrau also? So schön der Film ist – er ist auch schon ein paar Jahre alt. Derart fremdbestimmt und wenig selbstbewusst dürften die meisten SeniorInnen heute nicht mehr bei ihrer Kleiderwahl agieren.
Der Wandel hat sich schon seit einigen Jahren angekündigt. Zunächst war auf den Laufstegen und in den Werbekampagnen dieser Welt mehr Diversität zu sehen – auch in puncto Alter. Tolle und ausdrucksstark gekleidete Frauen wie Iris Apfel, Baddie Winkle, Linda Rodin und Jennny Kee avancierten zu Stilvorbildern für ältere Menschen, darunter auch der viel fotografierte Günther Anton Krabbenhöft aus Berlin-Kreuzberg. Der Blog »Advanced Style« des New Yorker Fotografen Seth Cohen widmet sich seit Jahren dem »reifen« Stil und der Ende 2016 gestartete Instagram-Account »Sciuriaglam« portraitiert toll gekleidete, glamouröse Mailänderinnen vorangeschrittenen Alters – hätten Parker-Bowles und Dench ihr Eis auf der Mailänder Domplatte geschleckt, sie wären mit ihren schmeichelhaften Sorbet-Outfits garantiert in die Sammlung gekommen.
Wer sich jedenfalls umschaut, wird feststellen: So beige ist die Welt über 65 gar nicht mehr. Die Raubtiergefahr im allgemeinen europäischen Lebensraum ist schließlich auch weitgehend gebannt.
Wird getragen von: Silver und Best Agern, Burberry-Models
Wird getragen mit: Selbstbewusstsein, Stil und passendem Softeis
Das sagen die Träger: Morgen dann Erdbeer statt Pistazie!