Mit dem Vokuhila ist es wie mit der Wiedervereinigung von Brad Pitt und Jennifer Aniston: Tausend Mal heraufbeschworen, nie passiert. Aber jetzt gibt es – hier wie dort – zarte Anzeichen eines echten Comebacks. Erst dieser Turtel-Moment zwischen Brennifer bei den SAG Awards, und jetzt noch jede Menge Flirts mit der »vorne kurz, hinten lang«-Frisur.
Das Internet will den »Mullett«, wie es im Englischen heißt, sogar bei Brad Pitt entdeckt haben. Was für Parallelen! Wobei seine stufige Matte vor allem an diesen anderen Tarantino-Haudegen Kurt Russell erinnert und eher ein Statement dafür sein könnte, dass man mit Mitte fünfzig überhaupt noch so viele Haare mit ausreichender Spannkraft auf dem Kopf hat.
Sehr viel deutlicher jedenfalls ist der Vokuhila bei Miley Cyrus, sogar verbrieft: Die Sängerin, beziehungsweise deren berühmte Coiffeurin Sally Hershberger, nennt ihre Frisur sogar selbst Vokuhila, wobei sie natürlich von einer modernen Interpretation sprechen. (Sagt eigentlich jemals jemand »total altmodische Interpretation«?) Das Prinzip »vorne kurz, hinten lang« bleibt trotzdem erhalten, und dass ausgerechnet Miley Cyrus sich diese Frisur zulegt, ist dann – auch wenn die 27-Jährige insgesamt vor ziemlich wenig zurückschreckt – doch irgendwie tollkühn. Oder toll rührend.
Denn einer der legendären Vokuhila-Träger ist ja ihr Vater, der Countrysänger Billy Ray Cyrus. Der hatte seien Heyday in den frühen Neunzigern und trug dazu auf dem Vorderkopf Bürstenschnitt, im Nacken Haare bis unter die Schulterblätter. Ähnlich wie Andre Agassi nur ohne Strähnen. Oder Rudi Völler nur länger und ohne Locken. Der Schnitt war damals ganz normaler Mainstream.
Die Geschichte des »Mullet« reicht aber viel länger zurück. Büsten aus dem alten Rom zeigen Männer mit vollem, längeren Nackenhaar. Auch die Indianer trugen oft lange Haare dazu aber einen Irokesen. Warum ist nicht schwer zu ergründen: Oben hatte man die Flusen aus dem Gesicht, hinten den Nacken schön warm. Der Vokuhila ist gewissermaßen die Funktionsjacke unter den Frisuren.
In den Siebzigern war der Schnitt noch totale Avantgarde, angeführt von David Bowie alias Ziggy Stardust, der ihn wegen des Mix aus weiblichen und männlichen Elementen wählte. Leute wie Rod Stewart und Jane Fonda ebneten dann den Weg für Joan Jett, Patrick Swayze und all die anderen. Wie der Vokuhila dann so dermaßen in Ungnade fallen konnte, ist nicht ganz geklärt. Der Minimalismus der Neunziger trug sicherlich dazu bei, vielleicht ein paar zu warme Sommer, jedenfalls galt die Matte im Nacken bald als prollig, dreckig, reaktionär.
Warum wird dann seit Jahren die (vermeintliche) Rückkehr vermeldet? Wann immer ein Model wie Edie Campbell oder die Schauspielerin Zendaya die Haare vorne ein bisschen kürzer, hinten ein bisschen länger tragen, ist sofort von Comeback die Rede, obwohl die Leute doch angeblich nichts schlimmer finden. Klassisches »guilty pleasure«-Phänomen: So wie wir auch fettigem Essen und Trash-TV wissen, dass das Zeug eigentlich bäh ist, haben wir insgeheim doch eine Schwäche dafür. Der Vokuhila fällt eindeutig in diese Kategorie. Man muss ihn ja nicht gleich selbst tragen.
Neben Miley Cyrus erledigt das schon mal Barbie Ferreira aus der Serie »Euphoria« für uns, außerdem Charlotte Roche. Und für die neue Valentino-Kampagne wurden ebenfalls ein paar Models mit Mullet fotografiert. Wenn jetzt noch Jennifer Aniston nachzieht, gibt‘s vielleicht wirklich ein Happy End.
Wird getragen von: Achtziger-Fans, Zwanzigerjahre-Hipster
Typischer Instagram-Kommentar: »Du hast da was im Nacken.«
Das sagt die Friseuse: »Berechne ich das jetzt als Lang- oder Kurzhaarschnitt?«