»Manche Lieder sind textlich und musikalisch vollkommen«

Für den Liedermacher Konstantin Wecker war Musik von Puccini und Orff mindestens so wichtig wie von Hannes Wader, Mercedes Sosa und Billy Joel. Zu sieben Songs gibt es eine Geschichte.


1) Nessun Dorma, aus Turandot
Mein Vater war Tenor, ein wunderbarer Mann. Auch wenn er sich als Sänger nie durchgesetzt hat, weil er entschiedener Antifaschist war und die Opernwelt nach dem Krieg noch voller Nazis war, sang er täglich eine ganze Stunde und ich als kleiner Junge oft mit ihm. Ich übernahm die Frauenstimmen. Jussi Björling war unser Lieblingssänger, und dies unsere Lieblingsarie.


2) Der Leiermann – Franz Schubert
Anders als mein Freund Hannes Wader, der vom amerikanischen Folk inspiriert ist, oder als Reinhard Mey, der vom französischen Chanson kommt, waren meine musikalischen Lehrmeister die deutschen Romantiker. Den »Leiermann« trau ich mir als nicht-klassischer Sänger auch zu, auf der Bühne zu singen. Schubert war ja ein Genussmensch und hat das Lied geschrieben, als würde man es beim Heurigen singen. Und insofern war es für mich immer  in Ordnung, seinen »Leiermann« zu verweckern.

3) O Fortuna – Carl Orff
Auch Carl Orff zählt zu meinen großen Vorbildern. Ich hatte das Glück, ihn noch zu treffen. Das war in Andechs, ich war jung und quasi als Fan da. Der alte Orff ging schon ganz gebückt, er forderte mich auf, am Klavier etwas zu spielen. »Spui ma, Bua«, sagte er. Ich spielte also. Danach sagte er zu mir. »Du bist koa Schubert, koa Mozart… du bist a Wecker!« Das schönste Kompliment, das ich je bekommen habe.


4) Es ist an der Zeit – Hannes Wader
Von meinem Freund Hannes Wader stammt das in meinen Augen stärkste Anti-Kriegslied, das es gibt. Der Text ist einfach atemberaubend. Es beruht auf »No man's land« des Schotten Eric Bogle und ist bis heute eine Hymne der Friedensbewegung. Als ich mit dem Hannes auf Tour war, wurden wir gefragt: »Was bringen denn eure Friedenslieder?« Und Hannes sagte: »Mal anders gefragt: Was wäre, wenn es unsere Mosaiksteinchen nicht gäbe?« Natürlich kann Kultur etwas verändern.

5) Scenes from an Italian Restaurant – Billy Joel
Billy Joel ist für mich einer der größten amerikanischen Songwriter und dies eines meiner Lieblingslieder von »The Stranger«, was insgesamt eine großartige Platte ist. Es gibt Lieder, die textlich und musikalisch vollkommen sind – das gehört für mich dazu.

6) Gracias a la vida – Mercedes Sosa
Ich hatte die Ehre, mit Mercedes Sosa und mit Joan Baez zu touren. Die beiden sind mir treue Freundinnen geworden. Ich habe das Lied beim Verlag angefordert und eine offizielle Nachdichtung angefertigt. Die wollte ich dann bei der Gema anmelden. Und man sagte mir dann, das Lied sei zu bekannt dafür, oh mann!


7) The ballad of Sacco and Vanzetti – Joan Baez
Ich liebe diese Hymne auf den amerikanischen Anarchismus, die Musik stammt von Ennio Morricone. Joany war erst vergangenen Sommer wieder in München – bei ihren Konzerten singt sie dann immer auch ein Lied von mir auf deutsch. Zuletzt war es »Wenn unsere Brüder kommen«. Ich habe mich in meinem Leben wirklich viel mit dem Ersten und Zweiten Weltkrieg beschäftigt, wie es dazu kommen konnte, wie die Leute begeistert in den Krieg gingen. Und jetzt im Jahr 2017 bin ich fassungslos, was heute wieder für Feindbilder aufgebaut werde. Haben wir denn nichts gelernt?

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