Schwer zu sagen, wann es zu viel wurde. Schon damals, als alle Welt darüber jubelte, dass Karl-Theodor zu Guttenberg nicht bloß adlig, sondern auch AC/DC-Fan ist, mithin keiner und doch einer von uns? Oder erst in jüngerer Zeit, als Bild fragte: »Sind Adlige von Natur aus die besseren Politiker?« Von Natur aus, das heißt wohl: Das Bessersein liegt ihnen gewissermaßen im Blut. Dieser Gedanke erlaubt einen gewagten, aber durchaus interessanten Schlenker.
Die in der Trivialfiktion seit einiger Zeit angesagteste Figur ist der Vampir, ausgelöst durch Stephenie Meyers Blutsauger-Schmonzetten der Twilight-Reihe. Die verkaufen sich millionenfach, mittlerweile gibt es Vampirbücher und -filme zuhauf. Von diesen Blockbustern und Bestsellern lässt sich eine direkte Blutlinie in die Realität ziehen, denn was die Vampire in der Fiktion, sind die Adligen, mithin die Blaublütigen, derzeit in der Realität: auf mysteriöse Weise en vogue. Ihnen schlägt eine Bewunderung, eine Ehrfurcht entgegen, wie vielleicht seit der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg nicht mehr (ein Zufall, natürlich, dass auch Bram Stokers Buch Dracula in dieser Zeit erstmals in Deutschland erschienen ist).
Die Illustrierten bejubeln den Adel, und die österreichische Schauspielerin Nora von Waldstätten gab neulich zu, dass sie das »von« aus Gründen des Prestiges in ihren Namen gefügt hat, obwohl die Adelstitel in Österreich 1919 abgeschafft wurden. In der Bild schwadroniert ein gewisser Alexander Schönburg, genauer: Alexander von Schönburg, wofür der Adel stünde: »Aufrichtigkeit, Geradlinigkeit, Rückgrat«. Mehr noch, für »Anstand«. Drückt sich in alldem die Sehnsucht nach einer wertkonservativen oder gar ständischen Gesellschaft aus? Eine solche Sehnsucht könnte immerhin den Vampirkult in Teilen gleich miterklären. Zumindest in den Büchern der Mormonin Stephenie Meyers geht es ja nicht nur ums besondere Blut, sondern auch und vor allem um streng konservative Werte: Kein Sex vor der Ehe, der Mann ist der Boss.
Der zarte Hinweis, dass nicht streng untereinander verpaarte Adlige, sondern aus allen Gesellschaftsschichten zusammengemischte Bastarde sich als widerstandsfähigste und oft sogar lebensklügste Menschen erwiesen haben, wird der Adels- und Vampirduselei kaum Einhalt gebieten. Vielleicht aber dieser Gedanke: Im Grafen Dracula vereinen sich die beiden Blutwelten, und es wird doch niemand ernsthaft bestreiten, dass es sich bei der kompletten Verkörperung der beiden Prinzipien, also beim adligen Vampir, um eine besonders unerfreuliche Person handelt.
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