Abschied mit Beigeschmack

Sollte man am Abschiedsbuffet eines Kollegen zugreifen, wenn man sich weder am Geschenk beteiligt hat, noch seinen Abgang bedauert?

»Darf man auf den Abschied eines Kollegen oder einer Kollegin gehen und dort fleißig am Buffet zugreifen, wenn man weder besonders traurig ist, dass der/die Betreffende die Abteilung verlässt, noch beim Abschiedsgeschenk mitgezahlt hat?« Sabine T., Burghausen

Ich würde zwei Varianten unterscheiden. Die eine kann man »die Form wahren« oder »gute Miene zum bösen Spiel« nennen. Sie bedeutet, man ist froh, den Kollegen oder die Kollegin loszusein, aber um die Form zu wahren, nimmt man im gesellschaftlich üblichen Rahmen an der Verabschiedung teil, das bedeutet, man beteiligt sich auch am Abschiedsgeschenk. Dann kann man zum Abschied gehen und, wie Sie es nennen, fleißig am Buffet zugreifen. Die andere Variante kann man »konsequent« oder »mit offenem Visier« nennen. In dem Fall ist man nicht nur froh über den Abschied, man verstellt sich auch nicht und handelt konsequent, sprich, man beteiligt sich nicht an einem Abschiedsgeschenk. Vielleicht auch, weil man eine Unterschrift auf der wohlwollenden Abschiedskarte als verlogen empfände.

Dann sollte man aber insgesamt konsequent sein und nicht nur dann, wenn's ums eigene Geld geht. Im Gegenteil, nicht zu bezahlen, aber zum Abschied zu gehen und sich am Buffet den Bauch vollzuschlagen, ist umgekehrt inkonsequent – und, wenn Sie nicht Ihre Verachtung für den Kollegen im Gesicht ablesbar tragen, auch verlogen.

Eine Zwischenform wäre, sich nicht am Geschenk zu beteiligen, aber bei der Verabschiedung kurz zu erscheinen und sich zu verabschieden – ohne sich am Buffet zu bedienen. Damit wahrt man das Minimum der im zwischenmenschlichen Umgang notwendigen Achtung, zeigt aber auch klar seine Haltung.

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Zu guter Letzt könnte man argumentieren, wenn es sich um einen besonders widerlichen Kollegen handelt, dass man sich nach Jahren des Ertragens wenigstens einen kleinen Ausgleich am Buffet holt, ohne einen Cent für das Abschiedsgeschenk gegeben zu haben. Das ist, je nach dem Grad der Widerlichkeit, vielleicht sogar nachvollziehbar, hat aber etwas von unschönem Nachtreten.