Eigentlich sieht das doch nach einer typischen Win-Win-Situation aus, bei der alle Seiten profitieren, hier sogar nach einer dreifachen Win-Win-Win-Variante: Der Vermieter findet ohne Mühen einen neuen Mieter, dieser bekommt eine neue Wohnung und Sie verdienen daran. Dennoch haben Sie ein ungutes Gefühl und darüber freue ich mich. An alle, die das nicht haben: Merken Sie denn nicht, wo wir uns jetzt befinden? Bei der Frage, wie viel man für sich rausholen darf, und damit mitten in einem Aspekt der aktuellen Kapitalismusdebatte. Nur trägt die andere Züge, wenn bei den Summen ein paar Stellen fehlen und die Protagonisten nicht Nadelstreifenanzüge, sondern Jeans und T-Shirt tragen. Und vor allem sieht sie ganz anders aus, wenn sie, wie hier, in einem Bereich stattfindet, in dem man selbst Handelnder und Begünstigter ist statt wie sonst nur Beobachter, Urteilender, gar Leidtragender. Trotzdem sind es dieselben Fragen und es gelten dieselben Prinzipen. Hat man sich das erst einmal bewusst gemacht, kann man in der politischen Debatte manche Emotionalität durch Reflexion ersetzen, umgekehrt aber auch das eigene Handeln kritischer betrachten.Wie sieht es nun damit aus? Wir sind hier außerhalb der Diskussion um soziale Verantwortung und auch nicht bei der Frage, was eine angemessene Bezahlung für welche Leistung ist. Es geht darum, ob man aus jeder Situation möglichst maximalen Gewinn ziehen darf. Mag bei einer leeren, gleichsam kahl gefressenen Wohnung auch die Assoziation auftauchen – hier passt es nicht, das viel zitierte Bild des Heuschreckenschwarms. Eher das einer Elster, die sich alles nimmt, was glänzt, ohne zu fragen, ob es ihr gehört oder wenigstens zusteht. Wieso sollten Sie berechtigt sein, von Ihrem Nachmieter Geld zu verlangen? Nur weil Sie zufällig gerade in einer Machtposition sind?Falls Sie nun Sorge tragen, auf einer Elsternliste zu landen, sobald Sie die Belohnung kassieren, so muss ich Sie beruhigen: Sie gehören dann zwar dorthin, aber sollte es diese Liste je geben, dürfte sie so lang werden, dass Sie kaum zu entdecken wären.
Die Gewissensfrage
»Wir ziehen demnächst aus unserer attraktiven Wohnung aus. Bestimmt würde unser Vermieter einen Nachmieter akzeptieren, den wir ihm empfehlen. Doch leider gibt es gerade niemanden in unserem Bekanntenkreis, der eine Wohnung sucht. Da läge es doch nahe, nach jemandem Ausschau zu halten, der gegen Belohnung eine Wohnung sucht, um diese bei erfolgreicher Vermittlung zu kassieren. Aber irgendwie hätten wir dabei ein ungutes Gefühl. Zu Recht?« KARIN R., MÜNCHEN