Hier heißt es, drei Ebenen zu unterscheiden. Als Erstes: Um wessen Maßstäbe geht es? Abgesehen vom Wert, bei dem die Mög-lichkeiten des Schenkers die größere Rolle spielen, steht bei der Auswahl klar der Beschenkte im Mittelpunkt. Ihn muss das Präsent erfreuen, nicht den Schenker; dessen Freude sollte stets nur Widerschein der bereiteten sein. Theodor W. Adorno beklagte in seinen Minima Moralia den Verlust dieses Aspekts: »Wirkliches Schenken hatte sein Glück in der Imagination des Glücks des Beschenkten. Es heißt wählen, Zeit aufwenden, aus seinem Weg gehen, den anderen als Subjekt denken: das Gegenteil von Vergesslichkeit. Eben dazu ist kaum einer mehr fähig. Günstigenfalls schenken sie, was sie sich selber wünschen, nur ein paar Nuancen schlechter.« Ob Sie Spaß an Zigaretten haben oder nicht, interessiert deshalb kaum, es geht um Ihre Freundin; und die erfreut sich am blauen Dunst. Gilt das grenzenlos? Nein: Niemand soll sich genötigt fühlen, etwas zu verschenken, das gegen seine Überzeugungen verstößt. Doch das scheint nicht der Fall: Sie haben ja weder etwas gegen das Qualmen als solches, noch erachten Sie es als lebensgefährlich.Damit käme man zum dritten Punkt: Ist es unpassend, etwas mit dem deutlichen Hinweis auf einen frühen Tod zu überreichen? Ja, wenn es die Zigaretten auch ohne die Warnungen gäbe. So aber gilt wieder der Blickwinkel der Beschenkten, die sich davon offenbar bislang nicht hat stören lassen. Sie könnten natürlich auch die Warnungen einzeln weihnachtlich überkleben. Als Zeichen persönlicher Zuwendung würde mir das sogar gefallen. Allerdings zweifle ich, ob Sie Ihrer Freundin unterm Strich einen Gefallen tun, wenn Sie Ihr helfen, diesen nicht zu leugnenden Aspekt des Rauchens auszublenden. Sogar dann, wenn es mithilfe von Sternen, Engeln und anderen himmlischen Motiven geschieht.Haben Sie auch eine Gewissensfrage? Dann schreiben Sie an Dr. Dr. Rainer Erlinger, SZ-Magazin, Rindermarkt 5, 80331 München oder an gewissensfrage@sz-magazin.de.
Die Gewissensfrage
»Ich habe vor 25 Jahren mit dem Rauchen aufgehört. Weil es immer teurer wurde und ich meinen Kindern ein gutes Vorbild sein wollte. An die eigene Gesundheit dachte ich ehrlicherweise zuletzt. Anders eine gute Bekannte. Sie raucht wie ein Schlot. Weil sie es sich aber kaum leisten kann, will ich ihr zu Weihnachten eine Stange Zigaretten schenken. Jetzt steht aber auf der Packung: ›Raucher sterben früher‹. Kann und darf man mit so einem Geschenk eine Freude bereiten?« BURKHARD O., NEUSS