In der Ethik stehen sich zwei Betrachtungsweisen gegenüber: deontologische und teleologische Theorien. Letztere, wie zum Beispiel der Utilitarismus, gehen davon aus, dass die Einordnung »richtig« oder »falsch« davon abhängt, welchen Wert eine Handlung im Leben der Beteiligten »außermoralisch« hervorbringt. Im Gegensatz dazu behaupten deontologische Ethiken, etwa Kants Pflichtenethik, mit den Worten des amerikanischen Moralphilosophen William K. Frankena ausgedrückt, »dass es jedenfalls auch andere Gesichtspunkte gibt, welche eine Handlung oder Regel zu einer richtigen oder pflichtgemäßen machen – Gesichtspunkte, die mit dem positiven beziehungsweise negativen Wert ihrer Konsequenzen nichts zu tun haben: gewisse Eigenschaften der Handlung selbst, abgesehen von den Werten, die sie schafft, etwa dass sie ein Versprechen erfüllt, der Gerechtigkeit genügt oder von Gott oder dem Staat geboten ist.« Genau in diesem Gegensatz wurzelt Ihr Dilemma: Im weitesten Sinne haben Sie, als Sie das Verzichtsangebot der freundlichen Wirtin annahmen, versprochen, im Jahr darauf wiederzukommen. Dies wollen Sie nun nicht halten, aus deontologischer Sicht handeln Sie demnach schlecht. Allerdings wäre die Konsequenz daraus, dass Sie Ihren Urlaub dort verbringen, wo Sie nicht wollen, und Ihre getrübte Urlaubsfreude ließe umgekehrt die Erfüllung des Fast-wie-Versprechens teleologisch betrachtet auch moralisch schlecht aussehen. Was nun? Eine theoretische Lösung scheint schwierig, wenn Sie nicht statt des Skikurses einen Moralphilosophiekurs belegen wollen. Deshalb brauchen Sie eine praktische: Die könnte sein, die Wirtin anzurufen, ihr die Lage zu erklären und anzubieten, heuer den Ausfall zu bezahlen. Oder Sie fahren nächsten Winter zu ihr. Das dann aber wirklich.
Die Gewissensfrage
»Letzten Winter hatten wir eine Woche Skiferien auf dem Bauernhof gebucht. Beide Kinder wurden kurz vor Antritt der Reise krank und wir mussten sehr kurzfristig absagen. Wir hatten der Wirtin angeboten, für den plötzlichen Ausfall zu bezahlen, aber sie meinte, mit Kindern könne so etwas immer passieren, wir müssten ihr nichts bezahlen und sollten einfach nächstes Jahr kommen. Eine edle Geste! Nun würden wir diesen Winter gern nach Schweden reisen, fühlen uns aber der Wirtin des Bauernhofs verpflichtet. Wissen Sie einen Weg aus dem Dilemma?« CARSTEN M., REUTLINGEN