Haben Sie etwas erhalten, ohne dafür zu bezahlen? Vor allem, was war es wert? Versucht man das zu beantworten, merkt man schnell: Die Bestimmung von Werten bereitet bei TV-Programmen fast noch mehr Probleme als in der Ethik. Für den Handelswert genügt ein einfacher Blick in die Preislisten der Kabel-Anbieter. Schwerer wird’s bei den Programmen selbst. Entscheiden hier die Produktionskosten, die Quote oder der Inhalt? Am schwierigsten dann der individuelle Wert: Der eine schätzt Dokumentationen über Vorderasien, der andere Volksmusik. Und beide verlangten vermutlich Schmerzensgeld, wollte man sie zwingen, das Traumprogramm der anderen zu verfolgen. Ganz zu schweigen von dem, der seine Ruhe will.Was bedeutet diese Wertunsicherheit nun für Sie – jenseits aller Rechtsfragen? An dieser Stelle könnte helfen, sich auf Tugenden zu besinnen. Der französische Philosoph André Comte-Sponville betont, eine noch höhere Tugend als die der Ehrlichkeit, nämlich andere nicht zu belügen, sei »weder andere noch sich selbst zu belügen«. Hier scheint mir die Lösung zu liegen. Sie schreiben, dass sie »möglicherweise« selbst kein Kabel-TV geordert hätten. Das wirkt – verzeihen Sie – in erster Linie ausweichend. Was das wirklich bedeutet, müssen Sie eben erst einmal sich selbst gegenüber ehrlich feststellen. Hätten Sie auch das Breitband bestellt, sollten Sie es Ihrem Vormieter erstatten und nicht aus dem Zufall seiner Nachlässigkeit Kapital schlagen. Hätten Sie nichts abonniert, haben aber dennoch das vorhandene Angebot genutzt, scheint mir aus moralischer Sicht eine Teilerstattung sinnvoll. In welcher Höhe? Nun ja, wie viel Sie tatsächlich profitiert haben, wissen nur Sie. Aber seien Sie ehrlich.
Wahre Werte im TV: Rainer Erlinger beantwortet Gewissensfragen im »ARD-Buffett« (Das Erste, 12.15 Uhr, 10.12. bis 14.12.)
Illustration: Jens Bonnke