Wo gäbe es etwas zu bemäkeln an Ihrem Vorgehen? Sie kümmern sich sorgsam um die Haare Ihrer Tochter, achten auf die Haushaltskasse ebenso wie auf die Gesundheit Ihres Kindes, denken gleichermaßen schadstoffbewusst und ökologisch, es geht Ihnen bei der Verwertung des inkriminierten Produkts nicht ums Geld, sondern nur um die Sache, und Sie gehen das auch noch pfiffig an.
Am Ende sind alle zufrieden – außer Ihrem Gewissen. Warum? Vielleicht weil Sie ein Gefühl haben, als ob Gift an Ihren Händen klebt: Irgendjemand schüttet gerade ein Produkt aus Ihrem Besitz auf einen Kinderkopf, das Sie, statt es selbst zu verwenden, am liebsten nur mehr mit Schutzhandschuhen berührt hätten. Das ist der erste ernst zu nehmende Punkt, denn Sie haben Ihren Beitrag zu verantworten. Auch wenn es – betrachtet man es allein vom Ergebnis her – sogar kontraproduktiv sein könnte, die Flaschen zur Giftmülldeponie zu tragen: Da Sie am Konsumverhalten der anderen Kunden nichts ändern und es Ihnen kaum gelingen wird, den Markt leer zu kaufen, erhöhen Sie damit vor allem den Umsatz der fragwürdigen Substanzen.
Noch mehr lässt mich indes ein anderer Aspekt an Ihrer Aktion zweifeln: Die Missachtung der Autonomie der anderen Beteiligten. Glauben Sie, dass es dem Drogeriemarkt recht ist, wenn Sie seine Regale aus Ihrem Vorratsschrank befüllen? Dass die nachfolgenden Kunden gern zu den Flaschen aus Ihren Altbeständen greifen, wenn sie es denn wüssten?
Vermutlich nicht, sonst würden Sie ja nicht heimlich vorgehen. Und damit sind wir beim zentralen Punkt: Indem Sie wie ein umgekehrter Ladendieb agieren, zwingen Sie die anderen Beteiligten, bei Ihrem Spiel mitzumachen, ob sie wollen oder nicht – ja, schlimmer noch: ohne zu wissen, dass sie auf einem Spielfeld sind.
Zugegeben, der Eingriff ist nicht groß, werfen Sie mir ruhig Prinzipienreiterei vor, dennoch ist dieser Punkt für mich entscheidend.
Illustration: Jens Bonnke