Nur selten benutze ich eine Frage, um eine andere zu beantworten. Aber Ihre ist schnell gelöst: Natürlich müssen Sie ihm das sagen! Der römische Politiker und Philosoph Cicero schrieb in seinem Büchlein Laelius – Über die Freundschaft, man solle dem Freund »Ehrenhaftes tun und nicht etwa damit warten, bis wir gebeten werden. Eifer sei stets vorhanden, Zögern fern; und wir sollten den Mut haben, freimütig Rat zu erteilen.« Letzteres scheint mir sogar einen ganz zentralen Punkt darzustellen. Wo das nicht möglich ist, kann man nicht wirklich von Freundschaft sprechen.
Für wesentlich kniffliger halte ich dagegen die Überlegung, ob nicht die jeweiligen Frauen selbst etwas hätten sagen sollen – nachdem sie dazu wieder in der Lage waren. Kritik am Küssen geht ja nur schwer über die Lippen. Kein Wunder, handelt es sich dabei doch um die jugendfreie Variante der noch pikanteren Frage: Soll ich etwas sagen, wenn der oder die andere schlecht im Bett war? Hier heißt es aufpassen. Natürlich sind Sätze wie: »Du bist der lausigste Liebhaber, den ich je hatte!« oder »Zum Glück wird diese Technik von alleine aussterben!« geeignet, das Gegenüber zu verletzen. Dementsprechend sollte man sie auch aus moralischer Sicht vermeiden. Zudem kann allzu große Kritikfreudigkeit denselben Effekt haben wie die bemängelten Fehler: Sie mindern die Chance auf Wiederholung. Andererseits sollte man auch nicht der Tabuisierung des Sexuellen auf den Leim gehen: Weder der Vorgang noch das Sprechen darüber sind unmoralisch!
Dem zufälligen Bettbekannten – nett! – zu vermitteln, falls er etwas schlecht macht, gebietet die Menschenfreundlichkeit. Wenn niemand etwas sagt, hat er keine Chance, es abzustellen. Dem eigenen Partner gegenüber offen zu sein, gebietet schon die Klugheit: Schließlich ist vieles noch steigerungsfähig.
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Illustration: Jens Bonnke