»Auf dem Heimflug aus meinem Marokko-Urlaub hatte ich Ärger mit meinem Hintermann, weil ich meinen Sitz in die Liegeposition brachte. Er beklagte sich, ich riet ihm, seinen Sitz doch auch zurückzustellen, er war der Meinung, das ändere wenig, ihm sei und bleibe es zu eng. Zwischendurch rüttelte er immer wieder vehement an meinem Sitz. War es unmoralisch, die von der Airline angebotene Sitzposition zu beanspruchen?« Ralf N., Köln
Das ist das Tückische am Urlaub: Die Erholung ist oft viel zu schnell wieder aufgebraucht – wenn man Pech hat, bereits auf dem Rückflug. In diesen Momenten bedauert man besonders, dass sich das »Beamen«, wie wir es aus der Fernsehserie Raumschiff Enterprise alias Star Trek kennen, in der Realität noch nicht durchgesetzt hat. Andererseits stimmte dort ständig irgendetwas mit der Technik nicht, und die Protagonisten saßen deshalb in unwirtlichen Gegenden oder brenzligen Situationen fest – dafür braucht man kein Beamen, das kann man auch bei der Bahn haben. Oder eben beim Fliegen. Ob kosmische Anomalien der Grund für die Ausfälle sind oder Aschewolken und Nebel, macht für den Reisenden wenig Unterschied.
Nur zwei Geißeln des heutigen Reisens kennt das Beamen hoffentlich nicht mehr: Platzmangel und Mitreisende. Vor allem ihretwegen sind Hin- und Rückreise das Fegefeuer des Urlaubs. Man hadert: Warum muss das so sein? Vermutlich betreiben Fluggesellschaften ihre Jets aus der abgesaugten Erholungsenergie der Reisenden, weshalb sie auch die Sitzabstände minimieren und die Ruheposition als zusätzliches Ärgernispozential erfunden haben. Nichts wirkt so konfliktsteigernd wie Platzmangel: Man muss sich den gemeinsamen Platz teilen; und wer wissen will, wie tief der Widerwille gegen das Teilen sitzt, braucht nur zwei Kindern im Sandkasten eine rote Schaufel zu geben.
Das Perfide an der Situation aber ist: Ihr Hintermann fühlt sich von allem, was ich bisher geschrieben habe, genauso angesprochen wie Sie. Damit bleibt die Frage, wie Ihr Problem zu lösen ist. Der Kalauer, dass man aus moralischer Sicht sowieso aufrecht am besten ruht, ist weder gut noch hilfreich. Und auch wenn ich die Leute nicht mag, die, ohne sich um den Hintermann zu scheren, sofort nach dem Start ihre Lehne mit Wucht zurückknallen lassen – wirklich vorwerfen kann man die Benutzung der Ruheposition nicht. Schließlich gibt es sie genau zu diesem Zweck. Aber wollen Sie recht behalten oder Ihre Erholung schonen? Vermutlich wollen Sie sich schonen. Und dafür scheint mir sinnvoll, dass man sich, wie so oft, wenn es eng wird, am besten konfliktvermeidend einigt. Also vielleicht, wenn es den Hintermann stört, den Sitz nur halb zurückneigt.
Illustration: Marc Herold