»Letztes Wochenende sollte ich eine gute Bekannte vom 110 Kilometer entfernten Flughafen abholen. Allerdings hatte sie auf dem Flug einen Mann kennengelernt, und die beiden wollten noch etwas trinken gehen. Er bot an, ihr das Geld für ein Taxi (110 Kilometer!) später zu geben. Ich sollte alleine zurückfahren. Fühle ich mich zu Recht brüskiert?« Elisabeth M., Würzburg
Welchen Argumentationsstrang wollen Sie hören? Den romantischen oder den logischen? Lassen Sie mich mit dem romantischen beginnen. Bei dem englischen Renaissanceschriftsteller John Lyly und seinem Diktum aus dem Jahr 1579: »Love knoweth no laws«, aus dem sich später die Redeweise »All’s fair in love and war« entwickelte – »Im Krieg und in der Liebe sind alle Tricks erlaubt.« Zwischen dem Unbekannten und Ihrer guten Bekannten scheint sich etwas zu tun. Zwar bezieht sich das Sprichwort primär auf das Verhalten untereinander – zwischen den Kriegs- oder Liebes-Parteien –, aber man kann es in Maßen auf den Umgang mit Dritten ausdehnen. Und sinnvollerweise auf die widrigkeitsbeladene Phase der Anbahnung. Und falls die beiden sich nur amüsieren wollen, würde ich das unter großzügiger Auslegung des Begriffs »Liebe« im Sinne von »Liebe machen« zumindest zum Teil ebenfalls unter dieses Privileg stellen. Jeder soll selbst entscheiden, wo und wie er oder sie das Glück zu finden glaubt.
Praktischerweise führt die logische Argumentation zum gleichen Ergebnis. Sie wollen Ihrer guten Bekannten einen Gefallen erweisen. Und es ist kein ganz kleiner, sondern einer, der Sie am Ende einen halben Tag kostet. Den verschmäht Ihre Bekannte, und Sie haben die Mühen vergebens auf sich genommen. Das ist nicht schön. Nur, wenn Ihre Bekannte in dieser Situation allein Ihretwegen mit zurückfährt, waren die Mühen sogar schlimmer als vergebens, nämlich kontraproduktiv. Ihr Aufwand sollte als Gefallen das Leben Ihrer Freundin besser machen. Nun würde er das Gegenteil bewirken. Das ist nicht sinnvoll, und Ihre Bekannte hätte sich das auch nicht vorher überlegen können. Blöd gelaufen, aber freuen Sie sich lieber auf der Rückfahrt über das mögliche Glück Ihrer Freundin und drücken den beiden geistig (!) die Daumen.
Literatur:
John Lyly, Euphues: The Anatomy of Wyt, London, 1578, online abrufbar (dort S. 69)
All’s fair in love and war, in: Wordsworth Dictionary of Proverbs, by George Latimer Apperson, Wordsworth Editions, London 2006, S. 355
Illustration: Serge Bloch