Mensch gegen Maschine

Die aktuelle Gewissensfrage stammt von Jan Böhmermann: Er möchte wissen, ob es unhöflich ist, seinen Saugroboter anzustellen, wenn kurz darauf die Putzfrau kommt?

»Ich habe einen Saugroboter und auch eine Putzfrau. Ist es der Putzfrau gegenüber unhöflich, den Saugroboter morgens anzustellen und laufen zu lassen, wenn sie kurz darauf zum Putzen vorbeikommt? An sich hat sie dann weniger Arbeit - andererseits führe ich ihr damit ihre baldige Ablösung durch moderne Technik vor Augen.« Jan B., Köln

Ihre Frage erinnert an die legendären Heizer, die man in Dampfloks gebraucht hatte, die aber bis in die Siebzigerjahre hinein in England auf Elektroloks mitfuhren, obwohl sie dank der technischen Entwicklung dort nichts mehr zu tun hatten. Was jenseits der wirtschaftlichen Unvernunft auch für die Heizer frustrierend gewesen sein muss.

Der Saugroboter scheint mir nun im Kleinen ein gutes Beispiel dafür zu sein, wie man mit Automatisierung umgehen kann. Es gibt im Haushalt immer viel zu tun, und das Saugen gehört zu den eher eintönigen Arbeiten - weshalb es dafür auch einfache, billige Roboter gibt. Man kann das - sieht man vom Elektrolok-Heizer-Modell ab - auf unterschiedliche Weise nutzen: Entweder die Stunden und damit auch den Lohn der Putzfrau kürzen oder ihr andere Aufgaben übertragen und so Sie beide entlasten und das Ergebnis verbessern. Und bis ein für Privatpersonen erschwinglicher Roboter in der Lage sein wird, Bücher aus dem Bücherregal zu nehmen und abzustauben, den Kühlschrank abzutauen, turnusmäßige Grundreinigungen verschiedener Bereiche durchzuführen oder sprichwörtlich »in die Ecken zu gehen«, wird einige Zeit verstreichen.

Meistgelesen diese Woche:

Sie fragen nach Höflichkeit. Um die geht es tatsächlich, wenn man sie ernst nimmt und jenseits des Benimms als ein Verhalten versteht, in dem der Respekt vor dem Gegenüber zum Ausdruck kommt. Die technische Entwicklung lässt sich schwer aufhalten. Aber der Respekt kann darin bestehen, dass man jemanden von monotonen Arbeiten entlastet und ihr oder ihm dadurch Zeit und Möglichkeit für andere, komplexere Aufgaben gibt. Und in Ihrem konkreten Fall speziell darin, dass Sie das alles mit Ihrer Putzfrau besprechen und ihr zeigen, dass Sie sie als Person wahrnehmen, nicht nur als jemanden, der den Schmutz beseitigt.

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Literatur:

Zur Zukunft der Arbeit angesichts von zunehmender Automation gibt es eine Vielzahl von Publikationen. Im Folgenden eine kleine Auswahl von interessanten Texten, die speziell die von mir in der Kolumne vertretene These beleuchten, dass trotz Automation bestimmte Arten von Arbeit weiterhin von Menschen gemacht werden, weil sie höhere Fähigkeiten erfordern:

Arwa Mahdawi, What jobs will still be around in 20 years? Read this to prepare your future. The Guardian / theguardian.com, 26.6.2017

Andy Becket, Post-work: The radical idea of a world without jobs The Guardian, The long read, 19.1.2018

David Rotman, The Relentless Pace of Automation, MIT Technology Review, 13.2.2017,

The Economist – Special Report, The impact on jobs Automation and anxiety Will smarter machines cause mass unemployment?, 25.6.2016

Rainer Erlinger, Zur Definition der Höflichkeit als ein Verhalten, in dem der Respekt für das Gegenüber zum Ausdruck kommt, siehe insbesondere das Kapitel Das Aufhalten der Türe. Was genau ist Höflichkeit? in: Rainer Erlinger, Höflichkeit. Vom Wert einer wertlosen Tugend. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2016, S. 13 – 36