Muss ich dem Brautpaar schenken, was es sich wünscht?

Unser Moralkolumnist über ein ewiges Dilemma beim Schenken.

»Mein Vater heiratet erneut und bittet statt um Geschenke um Spenden an eine bestimmte Organisation. Wir Kinder sind uneins, ob wir dem nachkommen, da wir nicht alle diese Organisation gutheißen. Was wiegt mehr: der Wunsch des Brautpaares oder die eigene Überzeugung, dass man die Organisation nicht unterstützen möchte?« Angelika F., München

Fragen zu diesem Themenkreis erreichen mich in letzter Zeit gehäuft. Statt Geschenken um Spenden an eine meist gemeinnützige Einrichtung zu bitten, scheint immer beliebter zu werden. Was aus moralischer Sicht zu begrüßen ist. Zudem haben wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt, dass anderen zu helfen glücklich macht. Wissenschaftler nennen das auch den »Warm Glow«-Effekt, ein warmes Glühen, das man beim Spenden spürt. Und das können hier beide haben, die Beschenkten und die Gäste – so man sich denn einigen kann, welcher Zweck ein guter oder gar der beste ist.

Dementsprechend lassen sich die Fragen, die mich dazu erreichen, grob in zwei Gruppen einteilen. Bei den einen haben die Schenkenden selbst einen Spendenempfänger, den sie aus unterschiedlichen Gründen bevorzugen. Bei den anderen lehnen sie konkret die vom zu Beschenkenden vorgeschlagene Organisation ab.

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In dieser Unterscheidung sehe ich auch die Lösung. Die Spende ist ein Ersatz für Geschenke. Und so wie man sich bei der Auswahl der Geschenke nach den Wünschen der Beschenkten richten sollte, gilt das Gleiche hier für die Auswahl des guten Zwecks. Die zu Beschenkenden können ihn in weitem Umfang bestimmen. Es sei denn, der gewählte Zweck läuft den Schenkenden so zuwider, dass sie es nicht mit sich vereinbaren können, dafür Geld zu geben. Was aber zugleich zeigt, wie sehr man bereit ist, dem Beschenkten zuliebe über seinen eigenen Schatten zu springen.

Als Lösung bieten sich dann – neben dem guten alten Fresskorb – verschiedene Möglichkeiten an. So kann man dem Beschenkten das Geld geben, damit er oder sie es selbst spendet. Oder eine Organisation wählen, die beiden Seiten am Herzen liegt.

Literatur:
James Andreoni, Impure Altruism and Donations to Public Goods: A Theory of Warm-Glow Giving,. Economic Journal. 100 (1990), 464–477

William T. Harbaugh, Ulrich Mayr, Daniel R. Burghart, Neural Responses to Taxation and Voluntary Giving Reveal Motives for Charitable Donations, Science, 316 (2007), 1622–1625

Daniel M. Oppenheimer, Christopher Y. Olivola (Eds.), The Science of Giving: Experimental Approaches to the Study of Charity (Society for Judgment and Decision Making), Psychology Press, New York 2010

Zur Frage, wie weit man gegen seine eigene Überzeugung gehen kann, ohne seine Integrität zu beschädigen:
Arnd Pollmann, Integrität. Aufnahme einer sozialphilosophischen Personalie, transcript Verlag, Bielefeld 2005

Bernard Williams, Kritik des Utilitarismus, Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 1979

Bernard Williams, Utilitarismus und moralische Selbstgefälligkeit, in: Bernard Williams, Moralischer Zufall. Philosophische Aufsätze 1973–1980, Hain Verlag, Königstein 1984, S. 50–64

Zur umgekehrten Frage, ob man als Schenkender von sich aus ein Geschenk einfach durch eine Spende ersetzen darf, siehe diese Gewissensfrage.