»In unserem Amateurorchester ist es üblich, dass man eine Rundmail schreibt, wenn man Nachwuchs bekommen hat. Nun schrieb ein Mitglied, dass solche E-Mails mit Rücksicht auf diejenigen, die keine Kinder haben können, nicht an das gesamte Plenum versendet werden sollten. Darf man deshalb sein eigenes Glück über Nachwuchs nicht mehr so mitteilen?« Gisa F., Berlin
Einer Lösung kann man sich am ehesten nähern, wenn man sich die Interessen und Werte klarmacht, die hier beteiligt sind und teilweise im Widerstreit stehen. Da ist erkennbar als Erstes die Freude der frisch gebackenen Eltern, oft sogar als Stolz bezeichnet oder empfunden. Dem steht die Traurigkeit derjenigen entgegen, die Kinder haben wollen, aber keine bekommen können. Sie drückt sich oft in etwas aus, was man »Baby-Neid« nennt, Unglück, manche berichten sogar von Gefühlen der Missgunst über das Kinderglück anderer.
Stünden sich nur diese zwei Interessen gegenüber, müsste man abwägen, ob der Wunsch, seine Freude mitzuteilen, über dem Gebot stehen kann, andere nicht zu verletzen, hier, in keiner schwärenden Wunde zu stochern. Zudem sich die Freude über das Kind – hoffentlich – aus dem Kind als neuem Menschen speist und unabhängig von der Möglichkeit besteht, es zu präsentieren.
Hier treten jedoch weitere Aspekte hinzu: die Bedeutung der Gemeinschaft und die Tatsache, dass Kinder zu bekommen etwas ganz Natürliches ist. Ein so elementares Ereignis und Erlebnis wie die Geburt eines Kindes nicht teilen zu dürfen, würde Kinder zu bekommen aus seiner Natürlichkeit und der darauf beruhenden natürlichen Öffentlichkeit verdrängen. Es geht nicht ganz so weit, aber als nächster Schritt stünde die Forderung im Raum, Kinder und Schwangerschaft nicht unnötig zur Schau zu stellen, um ungewollt Kinderlose nicht zu belasten.
Selbstverständlich sollte man Rücksicht nehmen und diejenigen aus dem Verteiler nehmen, von denen man weiß, dass sie durch die direkte Nachricht in ihren Gefühlen verletzt würden. Wegen einer nur abstrakten Gefahr, dass dies der Fall sein könnte, auf eine entsprechende Mitteilung in einer Gemeinschaft zu verzichten, ginge mir jedoch zu weit.