Das Problem: Wir essen viel zuviel Fleisch, zum Nachteil unserer eigenen Gesundheit und des Planeten.
Die Lösung: Behandelt Fleisch wie Zigaretten!
Diesen Sommer bekamen die rund 6000 Mitarbeiter des Immobiliengiganten WeWork eine Mail von ihrem »Chief Culture Officer« Miguel McKelvey, die bei einigen Jubelstürme auslöste und bei anderen Entrüstung: WeWork wird vegetarisch. Die Firma bietet bei Veranstaltungen kein Fleisch mehr an, keine Burger, keine Hühnerbrust, keinen Schinken. Mitarbeiter können auch kein Coq au Vin mehr in ihren Spesenabrechnungen geltend machen. Wer Essenskosten erstattet haben will, muss auf fleischlos essen. Denn, so McKelvey: »Neue Studien zeigen: Auf Fleisch zu verzichten ist eines der wichtigsten Dinge, die jeder Einzelne tun kann, um den persönlichen Umweltschaden zu reduzieren.« Am Tierwohl liege ihm auch, aber hauptsächlich habe sich die Geschäftsleitung aus Umweltgründen zu dem Schritt entschlossen.
Darf die Firma das? Ja, darf sie. Es gibt kein Recht auf Burger zum Mittagessen. Die Mitarbeiter dürfen allerdings nach wie vor ihr Wurstbrot zur Arbeit mitbringen, es handelt sich ja nicht um eine Diktatur.
Wie sinnvoll ist diese Maßnahme? WeWork rechnet vor, die neue Regel werde »bis 2023 mehr als 15 Millionen Tiere retten, 63,2 Milliarden Liter Wasser sparen und 202 Millionen Kilo Kohlendioxid-Emissionen verhindern.« Bis 2025 will die Firma CO2-neutral sein. Also alles super? Nein, die neue Regel löste einen veritablen Shitstorm aus. »Lächerlich, tyrannisch, heuchlerisch, arrogant, paternalistisch«, wütete unter anderem ein Autor im Magazin Slate, als gäbe es das Menschenrecht auf Schweinerippchen.
Wer vier Monate nach dem vegetarischen Neuanfang bei WeWork nachfragt, findet in erster Linie zufriedene Mitarbeiter. Die meisten vermissen nichts und manche haben von der neuen Regelung nicht einmal etwas mitgekriegt, auch deshalb, weil auswärtige Mieter, die WeWork-Räume anmieten, ihre Buffets nach wie vor mit Extrawürsten bestücken dürfen. Tatsächlich ist WeWork auch in anderer Hinsicht nicht ganz konsequent: Fisch steht nämlich weiterhin auf dem Speiseplan. Das erinnert mich an Restaurants im ländlichen Frankreich, in denen Kellner auf die Frage, ob es vielleicht auch ein vegetarisches Gericht gebe, immer freudig auf die Forellenfilets verwiesen. Im Ernst: Hat noch niemand den WeWork Chefs von der Überfischung der Weltmeere erzählt? Immerhin sagte McKelvey, Alkohol, Eier und Fisch könne er sich als nächstes auf der Streichliste vorstellen.
Weit weniger glatt verlief eine ähnliche Maßnahme bei Google. Da veranstalteten die Mitarbeiter Protest-Grillfeiern, als zwei Cafés auf dem Campus fleischfreie Montage einführten. Die Gegendemonstranten brutzelten ihre Würstchen so lange vor dem Kantinen-Eingang, bis Google wieder Schinken auf die Teller legte. Google entschied sich darauf für eine Strategie der »nudges«, also des Anstupsens. Die Salatbar wurde üppiger bestückt und prominenter platziert, die Portionen der Fleischgerichte verkleinert, die Burger mit Pilzen gestreckt. So ernähren sich die Mitarbeiter gesünder, ohne sich bevormundet zu fühlen.
Klar ist: Mit dem Fleischkonsum kann es so nicht weitergehen. Das Ausmass schadet allen – am meisten den Tieren, aber auch den Menschen. Doch obwohl dieser Umstand bekannt und von vielen Studien belegt ist, darf man bezweifeln, dass der Fleischverbrauch im nötigen Umfang zurückgeht, wenn allein auf Freiwilligkeit gesetzt wird. Was also können und dürfen Firmen und Regierungen tun, um uns umzuerziehen? Wie bewegen sie Millionen von Menschen, ihr Verhalten zu ändern? Die Antwort: Mit Geld.
Der Konzern General Electric zum Beispiel bezahlt seinen Mitarbeitern Prämien, wenn sie mit dem Rauchen aufhören. Der Düngerhersteller Scotts Mirace-Gro stellt grundsätzlich erst gar keine Raucher ein, um die Krankenkosten niedrig zu halten. So ähnlich könnte es auch funktionieren, wenn es um die Wurst geht.
Fleisch muss teurer werden, viel teurer
Eine neue aufwändige Studie der University of London, die erst vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde, kommt zu dem Schluss, dass die ausufernde Fleischeslust weltweit 285 Milliarden Dollar zusätzliche Krankenkosten verursacht. Daraus folgern die Autoren, dass man Menschen den Fleischkonsum ähnlich wie das Rauchen erschweren muss – zu ihrem eigenen Vorteil und zu dem des Planeten. Sie schlagen eine Fleisch-Steuer vor, im Durchschnitt 25 Prozent, je nach Wirtschaftsregion gestaffelt. In Äthiopien, wo Menschen ohnehin kaum Fleisch essen, würde der Preis um weniger als ein Prozent steigen, in Amerika dagegen, wo die Menschen mehr Fleisch essen als anderswo und die Folgekosten extrem hoch sind, würde das Steak um 160 Prozent teurer.
Mit einer solchen Steuer, so rechnet die Studie vor, könnten jedes Jahr 220.000 vorzeitige Todesfälle vermieden und mehr als 40 Milliarden Dollar Behandlungskosten eingespart werden. Rotes und verarbeitetes Fleisch wird nicht nur für ein erhöhtes Krebsrisiko, sondern auch für Herzkrankheiten, Diabetes und Schlaganfälle verantwortlich gemacht. Ausserdem würde die Steuer klimaschädliche Gase um gut 100 Millionen metrische Tonnen verringern. »Das wirft die Frage auf: Vielleicht sollten wir rotes und verarbeitetes Fleisch genau so behandeln wie andere karzinogene Stoffe wie Tabak oder Asbest, oder einige andere Nahrungsmittel, die nachweislich ungesund sind, wie Zuckergetränke«, meint Marco Springman von der Oxford Universität, der die Studie leitete. Von den Extraeinnahmen, immerhin 172 Milliarden Dollar jährlich weltweit, könnte man dann überall die Gesundheitsversorgung verbessern. Das hat schon bei Zuckergetränken und Zigaretten funktioniert – warum also nicht auch bei Fleisch?
Ich finde das gut: Fleisch muss teurer werden, viel teurer. So teuer, dass Ferkel nicht mehr ohne Betäubung kastriert werden, weil es 4 Cent mehr kostet. So teuer, dass sich 26 Hühner nicht mehr auf einem Quadratmeter gegenseitig die Federn ausreissen. So teuer, dass Kühe wissen, wie grüne Wiesen duften.
Wem das zu teuer ist, der kann dann ja nach draussen gehen und eine rauchen. Das dämpft den Hunger und ist in etwa genauso schädlich.