Wie Hefepilze Haie retten könnten

Millionen Haie sterben jedes Jahr, weil ihre Leber einen gefragten Stoff enthält, der für Kosmetika und Impfungen verwendet wird. Doch nun gibt es neue Ideen zum Schutz der Tiere.

Ein soeben gefangener Hai im Golf von Mexiko.

Foto: Negaprion/istockphoto.com

Das Problem: Drei Millionen Haie, darunter viele, die geschützten Arten angehören, werden jedes Jahr für ihr Squalen getötet, eine Substanz, die für Impfstoffe und Kosmetika verwendet wird.
Die Lösung:
Forscher entwickeln Alternativen zum Hai-Squalen.

Squalen ist eine ölige Flüssigkeit, die in der Natur weit verbreitet ist. Sie kommt in Olivenöl, in Ziegenmilch und im menschlichen Blut vor, in besonders hoher Konzentration ist sie aber im Lebertran von Haien enthalten. Dies ist seit gut hundert Jahren bekannt, und seit etwa neunzig Jahren wird über die medizinische Verwendung von Squalen geforscht. Man fand heraus, dass Squalen ein wichtiger Bestandteil von Adjuvantien, also Hilfsstoffen, sein kann, die Impfstoffen als Wirkverstärker beigefügt werden. Viele der jährlichen Grippeimpfungen oder der Schweinegrippe-Impfstoffe enthalten Adjuvantien auf der Basis von Squalen, die das Immunsystem anregen sollen.

Für die Haie ist das schlecht. Und auch ganz unabhängig vom Bedarf nach Squalen haben viele Hai-Arten es nicht leicht. Über 500 Arten gibt es weltweit, von denen 70 bereits vom Aussterben bedroht sind. Der Hai wird für seine Flossen gejagt, die in Asien als Delikatesse gelten, viele Millionen Tiere werden jedes Jahr auch Opfer industrieller Fischereimethoden, verenden in Schleppnetzen und an Langleinen. Hier genaue Zahlen zu ermitteln ist nahezu unmöglich, in einer älteren Studie für die Fachzeitschrift Marine Policy schätzten Forscher, dass jährlich bis zu 273 Millionen Haie gefangen werden könnten. Und ein Grund für die Jagd auf Haie ist eben auch das Squalen. Laut der in Hawaii ansässigen Umweltorganisation Shark Allies werden jedes Jahr knapp drei Millionen Haie allein für ihr Squalen getötet, rund die Hälfte von ihnen gehört einer bedrohten Art an. 

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Seit einiger Zeit wird verstärkt an alternativen Methoden zur Squalen-Gewinnung geforscht, mit vielversprechenden Ergebnissen

Dass Squalen in herkömmlichen Impfstoffen enthalten ist, ist unbestritten. Wie aber sieht es mit den Vakzinen aus, nach denen sich gerade alle sehnen – den Corona-Impfstoffen? Die bisher zugelassenen Covid-Impfstoffe, inklusive die meistverbreiteten von Pfizer/Biontech und Moderna, enthalten kein Squalen. Und unter den knapp 200 Impfstoff-Kandidaten, die derzeit noch entwickelt werden, sind wohl nur fünf, die Squalen als Adjuvans enthalten, also als Hilfsstoff. Dennoch wies Shark Allies in den vergangenen Wochen mehrmals auf den Zusammenhang von Squalen und Covid-Impfstoff hin, immer mit dem Tenor, dass es keinesfalls darum gehe, die Entwicklung von Covid-Impfstoffen zu verlangsamen, dass es aber längst Alternativen zum aus Hai-Lebertran gewonnenen Squalen gebe, deren Verwendung im Zweifelsfall vorzuziehen sei. Vor allem die Pharmakonzerne GlaxoSmithKline und Seqirus werden von Shark Allies kritisiert, denn beide stellen Impfzusatzstoffe aus Hai-Squalen her. GlaxoSmithKline plant, bis zu einer Milliarde Dosen seines Wirkverstärkers zu produzieren.

»Niemand behauptet, die Leute würden Hunderttausende von Haien nur für diesen Zweck fangen«, räumt Stefanie Brendl ein, die deutsche Gründerin und Direktorin von Shark Allies. »Aber bei diesem weltweiten Bedarf von Milliarden von Menschen wird es immer schwieriger, diese Quelle zu vermeiden. Wir fordern, Alternativen zu testen, damit wir das tierische Produkt einmal nicht mehr nutzen müssen.«

Das eigentliche Problem liegt tatsächlich woanders. Nur ein Prozent des Haifischöls wird für Impfstoffe verwendet, der Rest landet meist in Nahrungsergänzungsmitteln oder Kosmetika wie Sonnenlotion und Hautcreme. Zwar könnte man für all diese Produkte auch genauso gut Squalen verwenden, das aus anderen Quellen gewonnen wurde, zum Beispiele aus Oliven oder Weizenkeimen. »Aber Haiöl ist billig und einfach zu bekommen«, sagt Stefanie Brendl. Die Erzeugung aus Oliven etwa dauere fast zehn Mal länger und koste 30 Prozent mehr.

Seit einiger Zeit wird verstärkt an alternativen Methoden zur Squalen-Gewinnung geforscht, mit vielversprechenden Ergebnissen. Das kalifornische Unternehmen Amyris hat zum Beispiel ein Verfahren entwickelt, um Squalen aus Zuckerrohr herzustellen. Ein weitere, noch interessantere Methode wurde im vergangenen Herbst vorgestellt: Am Austrian Centre of Industrial Biotechnology (ACIB) in Graz gelang es, Mikroorganismen in Bäckerhefe so zu manipulieren, dass sie reines Squalen produzieren. Wenn es den österreichischen Forschern gelingt, ihre Technik vom Labormaßstab auf Massenproduktion hochzufahren, könnten sie damit tatsächlich irgendwann Millionen Haien das Leben retten.