Lärmschutz für Wale

Die US-Regierung will mit Luftkanonen unter Wasser nach Öl und Gas suchen - und streitet ab, dass Tausende Wale darunter leiden würden. Umweltschützern hilft jetzt womöglich nur noch die Taktik, die ein demokratischer Politiker bereits im Parlament angewendet hat.

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Das Problem: Um Öl- und Gasvorkommen aufzuspüren, genehmigt die Trump-Regierung an den Küsten Unterwassersprengungen, die Wale und Delfine gefährden.

Die Lösung? Die Umstellung auf erneuerbare Energien. Und bis dahin alle zehn Sekunden ein Donnerhall vor dem Weißen Haus.

Der März war kein guter Monat für Wale: Auf den Philippinen wurde ein toter Wal angeschwemmt, der an unglaublichen 40 Kilo Plastik im Magen erstickt war, in Mexiko zählen die Forscher nur noch weniger als zwei Dutzend Exemplare der kleinen Vaquita-Wale, die damit praktisch keine Überlebenschance mehr haben. Und fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat die Trump-Regierung beschlossen, nun auch den Walen vor der amerikanischen Ostküste das Leben schwer zu machen. Denn das Moratorium ist abgelaufen, das bis 2017 Ölbohrungen vor der Atlantikküste verhinderte.

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Bei all den vielen Skandalen der Trump-Regierung geht im Twitter-Gewitter unter, dass Trump und die amerikanische Öl- und Kohlelobby ständig Umweltschutzprogramme außer Kraft setzen.

Während sich überall auf der Welt Menschen um den Schutz der Wale bemühen, geht die Trump-Regierung den umgekehrten Weg: Sie will an der Ostküste der USA wieder seismische Tests zulassen, auch Unterwassersprengungen genannt. An der Atlantikküste von Delaware bis Florida sollen Schiffe nun sogenannte »Air Canons« hinter sich herziehen, also Luftkanonen, die Druckluft in den Meeresboden schießen. Das heißt: Alle 10 Sekunden werden Unterwasserkanonen feuern, um mit dem Echo Öl- und Gasvorkommen auf dem Meeresboden aufzuspüren – zum Schaden der Wale und Delfine. Denn die verlassen sich bekanntlich auf ihr Gehör, um sich zu orientieren, zu kommunizieren und Nahrung zu finden.

Der Lärm ist bis zu 100.000 Mal lauter als ein Düsenflugzeug. »Stell dir ein Raumschiff vor, das in knapp 300 Metern Höhe langsam zwischen dem Süd- und Nordende deiner Stadt hin- und herfliegt und dabei alle zehn Sekunden einen lauten Knall auslöst«, beschreibt Christopher Clark, Direktor des Bioakustik-Forschungsprogramms der Cornell University. Dieses Video veranschaulicht den Explosionslärm im Vergleich zu den Geräuschen der Tiere.

Der Lärm wird Tausende von Meilen weit zu hören sein. Greenpeace zufolge werden die Knaller insgesamt 40 verschiedene Spezies schädigen, darunter auch sechs gefährdete Arten, unter anderem Buckelwale, Schwarzwale und nördliche Glattwale.

Von letzteren gibt es nur noch etwa 400 Exemplare. Die Schalwellen können die Meeresbewohner nicht nur von der Nahrungssuche abhalten, sondern schwere Gehörschäden und innere Verletzungen verursachen, die zu Taubheit oder gar zu Gehirnblutungen und zum Tod führen. Auch die Meeresschildkröten und die lokalen Fische werden durch den Schall vertrieben, die Fischereien fürchten massive Verluste. Offiziellen Berechnungen zufolge könnten bis zu zweieinhalb Millionen Wale, Delfine und andere Meeresbewohner damit beeinträchtigt oder gar getötet werden. 

Es gibt für all die eingangs genannten Probleme jedoch Lösungen: Die EU hat gerade ein Verbot von Einweg-Plastik beschlossen, ein guter erster Schritt. Mexiko arbeitet an härteren Strafen für die sogenannten Kiemennetze, in denen die Vaquita-Wale ersticken. Die Trump-Regierung ist aber ist bislang nicht bereit, überhaupt auch nur das Problem anzuerkennen: Sie behauptet, es gebe kaum Beweise, dass der Unterwasserlärm die vom Aussterben bedrohten Wale überhaupt signifikant beeinträchtige.

Dazu muss man wissen, dass die Nationale Ozeanische und Atmosphärische Verwaltung (NOAA) fünf Firmen die Genehmigung für diese Tests bereits erteilt hat. Die Firmen warten nur noch auf die endgültige Genehmigung des Innenministeriums. Das dürfte kein Problem sein. Denn das Innenministerium wird derzeit von David Bernhardt regiert, einem ehemaligen Öllobbyisten. Bernhardt hat in den vergangenen Jahren bereits bei Gesetzesänderungen mitgeholfen, die es möglich machten, Bärenbabys schon im Bau zu erschießen, Zugvögel wieder straflos zu töten und Naturschutzgebiete für Gas- und Ölbohrungen zu erschließen. Demzufolge dürften ihn gefährdete Wale eher wenig beunruhigen. Die Argumentation von NOAA ist besonders bemerkenswert, weil sie die Gefahren schlicht leugnet. Obwohl zahlreiche Studien die Gefährlichkeit eindeutig beweisen und nach seismischen Tests Nekropsieberichte von gestrandeten Wale mit ihren Gehirnblutungen veröffentlicht wurden, sagt etwa NOAA Sprecherin Katherine Brogan: »Wir glauben nicht, dass diese Tests zu Todesfällen führen.«

Alle Staaten an der betroffenen Küste haben sich bereits gegen die Pläne ausgesprochen, vor allem zum Schutz der Fische, der Fischer und auch aus Angst um den Tourismus. Aber vergeblich. Ganz zu schweigen von der Klimabelastung durch neue Öl- und Gasförderungen. Erst vor einer Woche veröffentlichten die Forscher vom US Geological Survey einen neuen Bericht, demzufolge die Öl- und Gasbohrungen für ein Viertel der Kohlendioxidemissionen in Amerika verantwortlich sind und die verheerenden Überschwemmungen der Küsten, die rekordverdächtigen Waldbrände und Hurrikane durch die Klimaerhitzung verschlimmert werden. Trump antwortete darauf mit einer seiner Tiraden: »Eines der Probleme ist, dass Leute wie ich, wir haben ein sehr hohes Intelligenzniveau«, sagte Trump gegenüber der Washington Post, »aber wir glauben nicht unbedingt daran.«

Ja, das ist in der Tat eines der Probleme. Deshalb versuchen Anwohner, Politiker und Umweltschützer, die Öffentlichkeit aufzurütteln und auf die Dimension aufmerksam zu machen.

Vielleicht geht es nur so: Die Wissenschaft auf Grundschulniveau herunterbrechen. Wer nicht glauben will, muss fühlen. Joe Cunningham, der demokratische Abgeordnete aus South Carolina, brachte ein kleines Drucklufthorn zur Anhörung ins Parlament mit, um zu demonstrieren, wie laut so ein Horn tönt. Als er mit seiner Redezeit an der Reihe war, trötete er sein Horn mit 120 Dezibel, und es entspann sich folgender Dialog:

»War das störend?« fragte Cunninghum gespielt unschuldig den Vertreter von NOAA, Chris Oliver, der argumentierte, der Lärm würde Wale und Fische überhaupt nicht stören.

»Es war ein wenig irritierend, aber ich fand es nicht besonders störend,« behauptete Oliver tapfer.

»Und was, wenn der Lärm alle zehn Sekunden ertönt über Tage, Woche und Monate?« hakte Cunningham nach. »Und was, wenn Sie von Ihrem Hörvermögen abhängig wären, um Nahrung zu finden und zu kommunizieren? Glauben Sie, das ist störend?«

»Wenn ich so nah dran wäre, vielleicht«, antwortete Oliver zögernd.

»Um wieviel lauter, glauben Sie, ist eine echte Luftkanone als dieses kleine Lufthorn hier?« bohrte Cunningham. »Zehn Mal lauter? 25 Mal lauter? 100 Mal lauter?«

Oliver wand sich. »Ich weiß es nicht.«

Die Antwort: »Was, wenn ich Ihnen sage, dass der Lärm der Schiffskanonen 16000 Mal lauter ist als dieses Lufthorn?«

Darauf fiel dann auch Oliver keine Antwort mehr ein. Endlich Stille.

Vielleicht ist das die Lösung: Alle zehn Sekunden vor dem Weißen Haus oder dem Trump-Anwesen Mar-A-Lago einen Mega-Knaller mit der Lautstärke eines Düsenflugzeugs zu zünden? Wenn sich dann einer der Menschen mit dem überdurchschnittlich hohen Intelligenzquotienten über Ruhestörung beschwert, verweist man auf die offiziellen Stellungnahmen: Alles halb so wild. Stört gar nicht.