Das Problem: Das deutsche Cannabis-Verbot funktioniert nicht.
Die Lösung: Stellt Cannabis und Alkohol gleich!
Als ich aus dem bayerischen Alpenvorland nach Los Angeles zog, musste ich mich mit einer Reihe neuer Phänomene vertraut machen: Hier gehören nicht nur supersized Fastfood und zwölfspurige Staus zum Alltag, sondern auch Ärzte mit einem Hanf-Logo auf dem Firmenschild, die einem bei jeder Gelegenheit einen Joint verschreiben wollen. Meine deutschen Besucher erschauderten immer ungläubig beim Anblick der groß in Leuchtreklame blinkenden Hanfblätter am Venice Beach. »Bist du gestresst?«, wurde man beim Strandspaziergang gefragt und auf die »medizinischen Ausgabestätten« direkt an der Strandpromenade hingewiesen, wo einem »Dr. Green« das Rezept ausstellen würde.
Inzwischen braucht man kein Rezept mehr. Auf Bundesebene gilt Marihuana immer noch als gefährliche und illegale Droge, aber wie acht andere Bundesstaaten auch, hat Kalifornien Cannabis legalisiert. Während Deutschland zögerlich die streng reglementierte Freigabe von Marihuana zu bestimmten medizinischen Zwecken umsetzt und die Vereinten Nationen die Legalisierung von Marihuana als Alternative zum erfolglosen Drogenkrieg andenken, ist legales Cannabis in vielen Gegenden der USA längst Alltag. 46 der 50 amerikanischen Bundesstaaten haben gemerkt, dass das Cannabis-Verbot nicht funktioniert und haben medizinisches Marihuana oder Marihuana ohne psychoaktive Substanzen unter bestimmten Voraussetzungen legalisiert. Jeder fünfte Amerikaner hat nun legal Zugang zu Cannabis. In neun Bundesstaaten ist Marihuana auch für den Freizeit-Genuss erlaubt, nämlich in Colorado, Kalifornien, Nevada, Washington DC, Oregon, Massachusetts, Maine, Alaska und Vermont - und das gilt auch für deutsche Besucher. Pot Bless America.
Nun wird in Deutschland sogar von Polizisten ein Ende des Cannabis-Verbots gefordert. André Schulz, der Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), hält die Prohibition von Cannabis für »weder intelligent noch zielführend« und fordert eine »komplette Entkriminalisierung von Cannabis-Konsumenten«. Zwar kam sogleich Widerspruch, auch aus den Reihen der Polizei, aber irgendwie macht es dennoch Sinn, dass es ausgerechnet Polizisten sind, die sich jetzt zu Wort melden: Schließlich müssen sie das Cannabis-Verbot im Alltag überwachen und sehen am deutlichsten, wie absurd die augenblickliche Rechtsprechung ist. Gelegenheitskonsumenten gehen bekanntlich in Deutschland in der Regel straffrei aus, aber der Erwerb, Verkauf, Anbau und Besitz ist strafbar. Medizinisches Cannabis für Kranke ist in Deutschland zwar seit letztem März erlaubt, aber das Gesetz ist so kompliziert und bürokratisch, dass es Ärzte wie Verbraucher verunsichert.
Also, macht es allen einfacher: Legalisiert Cannabis! Die Argumente sind klar:
1. Das Verbot funktioniert sowieso nicht.
Jeder vierte Deutsche hat schon mal gekifft. Jeder Jugendliche in jeder deutschen Groß- und Kleinstadt kann ziemlich einfach einen Joint erwerben. Erfahrungen in Ländern wie Amerika, aber auch den Niederlanden oder Uruguay zeigen: Durch die Entkriminalisierung steigt die Zahl der Kiffer so gut wie gar nicht, es steigen auch nicht mehr Menschen auf harte Drogen um. Vom Verbot profitiert nur eine Gruppe: die illegalen Dealer.
2. Das Verbot kriminalisiert größtenteils harmlose Kiffer.
Natürlich kann Cannabis eine Einstiegsdroge sein, gerade bei jungen Menschen das Gedächtnis schädigen oder Psychosen auslösen, aber - siehe oben - das wird durch ein Verbot nicht besser. Genau das findet auch der Chef der Kripo: Gerade die Legalisierung würde helfen, mit Jugendlichen offen über Drogenkonsum zu sprechen und Suchtgefährdete besser zu erreichen. Die Grünen, die SPD, die FDP, sogar Teile der CDU haben sich deshalb für eine kontrollierte Freigabe ausgesprochen.
3. Die Legalisierung würde zu einer besseren Qualitätskontrolle führen.
In Amerika reguliert der Staat den Anbau, den Zugang und die Verteilung von Cannabis. Gerade die Legalisierung hatte zur Folge, dass Qualitätsstandards und Grenzwerte etwa für Pestizidbelastung eingeführt wurden. Die Bundesregierung plant sowieso gerade eine Cannabisagentur, die den Anbau von Cannabis für medizinische Zwecke in Deutschland überwachen wird. Dagegen weiß kein Mensch, was in dem Zeug drin ist, das illegale Dealer verkaufen.
4. Der Staat kann die Steuereinnahmen nutzen.
In Amerika ist das Geschäft mit Cannabis ein Wachstumsmarkt. Fast neun Milliarden Dollar wurden mit Cannabis-Produkten in Amerika im letzten Jahr umgesetzt, 25 Prozent mehr als noch im Vorjahr, und bis zum Jahr 2020 prophezeien Experten einen berauschenden Jahres-Umsatz von 23 Milliarden Dollar. Warum sollen daran nur Drogendealer verdienen? In Colorado beispielsweise finanziert der Staat mit den Extra-Einnahmen aus den legalen Pot-Verkäufen besondere Schutzprogramme für Jugendliche. Das könnte in Deutschland genauso funktionieren.
5. Cannabis ist weniger schädlich als Alkohol
Jeden Tag sterben in Deutschland mehr als 200 Menschen an Alkohol. Fast zwei Millionen Menschen sind allein in Deutschland alkoholabhängig. Es macht wirklich keinen Sinn, dass es in jeder Tankstelle billig Bier und Schnaps gibt, aber sich selbst Krebspatienten durch einen Bürokratiekrieg quälen müssen, um eine Cannabis-Tinktur zur Schmerzlinderung zu erhalten. Klar: Autofahren ist bekifft wie sonstwie bedröhnt eine schlechte Idee. Deshalb sollten, auch das fordert der BDK, sowohl Alkohol als auch Cannabis am Steuer verboten bleiben.
Aber ansonsten: Die Zeit ist reif. Also: Traut euch, Groko!
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