Wie können wir die Bienen retten?

Unsere Kolumnistin stellt etliche Projekte und Ideen vor, darunter auch das Forschungsvorhaben eines Großkonzerns, das zwar gut klingt, nach Ansicht eines führenden Wissenschaftlers aber in einer »Katastrophe« enden würde.

Eine Biene sitzt auf einer Löwenzahnblüte.

Foto: dpa

Zu keinem Thema bekommt unsere Lösungskolumnistin Michaela Haas mehr Leserbriefe als zum Bienensterben. Deshalb widmet sie den Bienen sogar zwei Folgen ihrer Kolumne. In der vergangenen Woche ging es also schon einmal um Bienen, allerdings nicht um die Frage, wie Bienen besser zu schützen seien, sondern um die überraschenden Lösungen für diverse drängende Probleme, die durchs Studium der Bienen gefunden wurden.

Das Problem: Eine neue umfassende Studie kommt zu dem Schluss, dass der weltweite Bestand aller Insekten in den letzten zehn Jahren drastisch zurückging – um 41 Prozent.
Die Lösung: Was Bürger, Gemeinden und Wissenschaftler unternehmen, um für Insekten wieder natürliche Lebensräume zu schaffen.

Zu dieser Jahreszeit, wenn Deutschland noch friert, schwärmen in Kalifornien und Florida schon die ersten Helfer auf die Obst- und Gemüsefelder: Milliarden von Bienen werden in Lastwägen durch das Land gekarrt, kurz bevor die ersten Mandelbäume zu blühen beginnen.

Meistgelesen diese Woche:

Der Terminkalender der Bienen ist für die nächsten Wochen voller als der eines CEO: erst für zwei Wochen zur Mandelbestäubung nach Kalifornien, dann zu den Kirschen in Oregon, den Äpfeln in Washington, den Wassermelonen in Florida und den Blaubeeren in Maine. 30 Prozent der Bienen überleben den Transportstress und die eintönige Monokultur-Diät nicht.

In Amerika war das Bienensterben in den Nullerjahren besonders massiv, noch massiver als bei uns in Deutschland. Imker verloren im Durchschnitt zwei Drittel ihrer Bienen, manche fast alle. Die »Beepocalypse« oder, wissenschaftlicher ausgedrückt, der Völkerkollaps (»Colony Collapse Disorder«) liegt dabei auch an den allgegenwärtigen Monokulturen, die den Bienen einfach keine reichhaltige Nahrung bieten, an Schädlingen wie der Varroamilbe und natürlich am massiven Einsatz von Pestiziden, die Bienen schwächen oder töten.

In Kalifornien sind die Bienen so slten geworden, dass drei Viertel aller domestizierten Honigbienen im Dienstleistungsbetrieb zur Mandelblüte gekarrt werden, zwei Schwärme pro Hektar. Wer dann im Frühsommer einfach am Strand bei Los Angeles entlangläuft, sieht die verirrten Honigsammler zu Hunderten am Meeresrand verenden. Inzwischen arbeiten Forscher in Harvard an der »RoboBee«, fliegenden Mini-Drohnen, die kleiner sind als eine Papierklammer und die Arbeit der Bestäuber übernehmen könnten. Walmart hat auf ähnliche Drohnen schon Patente angemeldet.

Ist das ein Vorbote dessen, was auch auf uns in Deutschland zukommt, wenn wir nicht noch gegensteuern?

Die Bienen vermehren sich derzeit in Deutschland vor allem als Faschingskostüme. Eine neue umfassende Studie kommt zu dem Schluss, dass weltweit 41 Prozent aller Insekten in den letzten zehn Jahren drastische Verluste erfuhren.

Die Autoren befürchten den »katastrophischen Kollaps des natürlichen Ökosystems« und benennen auch den Hauptschuldigen: Pestizide. Aber die Menschen wachen auf. Mehr als eine Million Einwohner haben in Bayern das Bürgerbegehren zum Artenschutz mit dem Slogan »Rettet die Bienen!« unterschrieben. Gleichzeitig versuchen Tausende von Imkern, Wissenschaftlern und normalen Bürgern auf der ganzen Welt intensiv nach Rettungsmöglichkeiten.

Hier sind einige der interessantesten und originellsten Ideen und Initiativen zur Rettung der Bienen:

1. Was jeder beitragen kann

Meine Kollegin Christiane Habermalz vom Deutschlandradio hat gerade höchst amüsant erzählt, wie sie zur Ökoguerillera wurde und den Petunien den Kampf ansagte, um in ihrem Berliner Kiez klammheimlich Oasen für Bienen, Insekten und Vögel zu pflanzen.

Auch im SZ-Magazin haben wir schon mal beschrieben, was jeder tun kann, um den Bienen »unter die Flügel zu greifen«

Die Anstrengungen reichen von Hobbyimkern, die sich einen Holzkasten für Wildbienen auf den Balkon stellen (die Zahl der Hobbyimker hat sich in den letzten Jahren in Deutschland fast verdreifacht), über Gemeinden wie Bergisch-Gladbach, die Koalitionen für bienenfreundliche Wildblumenflächen bilden bis zu Bauern, die (lukrative) Patenschaften für bienenfreundliche Wiesen anbieten.

2. Bienenstrom

Die Stadtwerke Nürtingen und das Biosphärengebiet Schwäbische Alb haben das Projekt »Bienenstrom« gestartet. Ende Januar hat die »UN-Dekade Biologische Vielfalt« das Projekt auf der Grünen Woche in Berlin ausgezeichnet, als erste Stromproduktion überhaupt. So funktioniert’s: Statt wie früher mit Mais und anderen Monokulturen pflanzen Bauern in der Region artenreiche Blühflächen an, die für Bienen besonders nährreich sind. Der Feldertrag kommt nach der Ernte in Biogasanlagen und den Ökostrom bekommen die Bienenstrom-Kunden. Vorteile: Die Bienen und andere Insekten bekommen Nahrung, Vögel neue Lebensräume, die Kunden Ökostrom und die Bauern einen Cent pro Kilowattstunde Strom. Und alle bekommen blühende Wiesen.

3. Hund hilft Biene

In Jarrettsville, Maryland, hat Cybil Preston ihren Hund darauf trainiert, Schädlinge ihrer Bienen zu erschnüffeln. Preston ist die oberste Bienenstand-Inspektorin im Landwirtschaftsministerium von Maryland. Es liegt an ihr, Zertifikate auszustellen, dass die Bienenschwärme, die zur Bestäubung losgeschickt werden, frei von Schädlingen wie der Faulbrut sind. Faulbrut-Bakterien sind harmlos für Menschen, aber können ganze Bienenvölker innerhalb von Tagen ausrotten. Maryland hat zwar schon seit knapp 30 Jahren ein Hundespürnasenprogramm, aber vor fünf Jahren trainierte Preston ihren ersten Hund speziell für Bienenschädlinge, denn Hunde können etwas, das Menschen nicht können: Die Faulbrut-Bakterien im Bienenstock schon von außen erschnüffeln. Menschliche Inspektoren müssen jeden Bienenstock einzeln öffnen und begutachten. Deshalb schafft ein einziger Hund an einem halben Tag, wozu vier Inspektoren einen ganzen Tag brauchen. Labrador Mack schnüffelt, winselt und wird mit einem Ball belohnt, wenn er einen Schädlingsbefall richtig erspürt. Im letzten Herbst untersuchte er 1700 Kolonien. Funktioniert super, nur das Training der Hunde ist aufwändig. »Ohne Hund könnte ich die Bienen nicht einsetzen«, sagte Preston der New York Times

Nur im Sommer, wenn es heiß wird und die Bienen am aktivsten summen und brummen, wird es auch Mack unheimlich. Vor den Bienen haben alle Respekt, auch er.

4. Resistente Hightech-Super-Bienen

Auch ein nationaler Notstand: Die Trump-Regierung hat gerade wieder in einer »Eilgenehmigung« erlaubt, dass 6,5 Millionen Hektar bienenfreundlicher Pflanzen wie Baumwolle mit dem Nervengift Sulfoxaflor besprüht werden dürfen. »In Zeiten des weltweiten Insektensterbens sechseinhalb Millionen Hektar bienenfreundlicher Pflanzen wie Baumwolle mit Pestiziden zu besprühen, die Bienen töten, liegt jenseits der Vorstellungskraft, selbst für die Trump-Regierung«, schimpft Nathan Donley, Wissenschaftler am Center for Biological Diversity. »Die Umweltschutzbehörde genehmigt das regelmäßig als ›Notmaßnahme‹, weil sie weiß, dass das Gift zu giftig ist, um es durch die normalen Pestizid-Genehmigungsstufen zu schaffen.« Das Risiko für die Umwelt und auch für die Menschen werde nicht ausreichend berücksichtigt und gemessen, fand sogar der Generalinspektor der Umweltschutzbehörde in einem Bericht vom letzten Jahr.

Weil viele Bienenfreunde nicht glauben, dass die Agrarkonzerne rechtzeitig die Kurve kriegen und auf bienen- (und überhaupt insekten-)schädliche Spritzmittel verzichten, arbeiten Wissenschaftler auf der ganzen Welt daran, die Bienen selbst widerstandsfähiger zu machen.

Die Washington State Universität baut zum Beispiel gerade eine Samenbank für Bienen auf, ähnlich wie es solche Fruchtbarkeitsnachhilfe bei Reproduktionsproblemen ja auch für Zweibeiner gibt. Denn das Problem sind ja nicht die Honigbienen, die nicht vom Aussterben bedroht sind, sondern vor allem viele wilde Arten. Die Bank soll einen diverseren Genpool fördern. Währenddessen kooperiert das amerikanische Agrarministerium mit Imkern, um stressresistentere Bienen zu kreieren. In Deutschland sucht der Biochemiker Stefan Hannus nach einer Lösung für die Varroamilben, die den Bienen so zu schaffen machen. 

An der University of Minnesota arbeitet die Entomologin Marla Spivak daran, klügere Bienen zu züchten, welche die von Parasiten befallene Brut erkennen und entfernen. Mit ihrem Informationsprogramm »BeeSquad« informiert sie Imker über ihre Erkenntnisse. Das alles sind konventionelle Wege, Bienen durch Züchtung resistenter zu machen, also Methoden, die es im Grunde seit Jahrhunderten gibt und die nun angesichts der neuen Bedrohungen verfeinert werden.

Andere dagegen träumen davon, Bienen genetisch so zu verändern, dass sie den Umweltbelastungen widerstehen. Bayer-Monsanto arbeitet mit einer eigenen Firma namens Beeologics daran, die Gene von Bienen so zu manipulieren, dass ihr Blut die Milben tötet statt umgekehrt

Das wäre natürlich schon genial, wenn die Firma nicht nur an den Insektenvernichtungsmitteln, sondern auch an den Insekten selbst verdienen könnte. Bei den 35000 Tonnen Insektiziden und Herbiziden, die wir allein in Deutschland jedes Jahr versprühen, wäre das ein Bombengeschäft.

Ich habe deshalb Martin Beye, Deutschlands renommiertesten Bienengenetiker, gefragt, ob es wirklich möglich und sinnvoll ist, mit Gentechnik widerstandsfähigere Bienen zu fabrizieren. Beye gilt weltweit als Koryphäe, war daran beteiligt, mit einem internationalen Team das Genom der Honigbiene Apis mellifera zu entschlüsseln und hat anschließend, salopp gesagt, die weltweit erste Designer-Biene gebaut. Mit CRISPR-Cas veränderte Bienen schwirren durch das fensterlose Labor auf seinem Campus an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Also, fragen wir ihn: Kann und will er eine Superbiene bauen?

Seine Antwort: eine deutliche Absage. »Das wäre eine Katastrophe, finde ich. Wir brauchen ja genetische Vielfalt, wo auch die genetischen Variabilitäten lokal erhalten bleiben,« betont er im Gespräch. »Das wäre fatal, wenn man eine Superbiene gründen würde, die dann alles andere auslöscht. Das würde nach hinten losgehen.«

Eine pestizidresistente Biene »wäre theoretisch möglich«, aber mit unwägbaren Gefahren verbunden und würde deshalb selbst in China oder Amerika niemals genehmigt. »Wir machen Grundlagenforschung. Wir wollen die Zusammenhänge besser verstehen, wie bestimmte Pathogene und Parasiten die Bienen belasten.«

Als Forscher wünscht er sich detailliertere Studien zu den Auswirkungen von Pestiziden: »Das Problem fängt ja bei den Pestiziden an, weil die sehr effektiv sind. Diese sublethalen Effekte müssen einfach besser überprüft werden. Man prüft, ob die Pestizide lethal sind, aber das berücksichtigt nicht die Komplexität, also all die anderen Effekte.«

Beye ist übrigens selbst Imker. »Meine Familie hat auch Wildbienen«, sagt er, und vielleicht auch deshalb würde er mit dem Insektenschutz genau da anfangen, wie es auch das Bürgerbegehren fordert: »Wir brauchen keine chemieresistenten Bienen, sondern Landwirtschaft, die Bienen nicht schadet: weniger Pestizide einsetzen, mehr Brachflächen lassen.«

Selbst Deutschlands renommiertester Bienengenetiker sagt also ganz deutlich: »Es muss auf jeden Fall ohne Gentechnik gehen. Wir können nicht das Gen finden, das alles löst.«